Hamburg - Altkanzlerin Angela Merkel hat nach dem Streit um die Migrationspolitik von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (beide CDU) zur Mäßigung aufgerufen.

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Nach den Vorgängen im Deutschen Bundestag in der vergangenen Woche sei bei den demokratischen Parteien eine Polarisierung eingetreten, sagte Merkel im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg vor mehr als 1.000 Gästen bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung "Die Zeit". "Es muss jetzt (...) wieder ein Zustand gefunden werden, in dem später auch wieder Kompromisse möglich sind."

Merkel: Bereitschaft zum Kompromiss muss da sein

Rund zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl sehe es ja nicht danach aus, dass eine politische Gruppierung die absolute Mehrheit bekommen werde. "Das heißt, man wird miteinander unter den demokratischen Parteien auch wieder reden müssen." Es sei ja richtig, dass im Wahlkampf die unterschiedlichen Positionen deutlich gemacht würden. "Aber es muss einfach diese Bereitschaft zu Kompromissen da sein."

Dass sie als Ex-Kanzlerin den Kanzlerkandidaten Merz wegen der Vorgänge im Bundestag kritisiert hat, habe mit der Grundsätzlichkeit der Sache zu tun. "Ich fand es sehr, sehr richtig und wichtig, dass Friedrich Merz am 13. November im Deutschen Bundestag angesichts des Zusammenbruchs der Ampel artikuliert hat, dass er diese mehrheitsmäßige, unübersichtliche Situation im Deutschen Bundestag nicht ausnutzen möchte", sagte Merkel. Staatspolitisch richtig sei auch gewesen, dass Merz erklärt hatte, nicht zufällige Mehrheiten zu erzeugen, die der AfD erlauben, auf das Ergebnis einer Abstimmung Einfluss zu nehmen.

Merz hatte Entschließungsantrag mit Hilfe der AfD durchgesetzt

Merz hatte in der vergangenen Woche allerdings seine Vorschläge zur Verschärfung der Migrationspolitik und einen Gesetzesentwurf im Deutschen Bundestag mit dem Wissen zur Abstimmung gebracht, dass eine Mehrheit nur mit Hilfe der AfD wahrscheinlich war. Der Entschließungsantrag wurde mit den Stimmen der AfD angenommen, der Gesetzentwurf scheiterte.

Merz hatte zuvor mehrfach betont, er schließe eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Merkel nannte es damals falsch, "sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen".

"Ich mische mich ja in die normalen politischen Auseinandersetzungen nicht ein, aber ich fand das doch eine Frage grundsätzlicher Bedeutung", sagte die Altkanzlerin und langjährige frühere CDU-Chefin. Dass sie sich erst einen Tag nach der Bundestagsentscheidung zum Entschließungsantrag geäußert hat, begründete sie damit, dass sie nicht vorschnell habe vorgehen wollen. "Da habe ich noch mal eine Nacht auch darüber geschlafen und fand es dann doch (...) richtig und für mich einfach auch notwendig, dazu meine Meinung zu sagen."

Merkel verteidigt eigene Flüchtlingspolitik

Gleichzeitig verteidigte sie ihre eigene Flüchtlingspolitik von 2015 bis 2021. "Ich halte die Flüchtlingspolitik der letzten zehn Jahre nicht für verfehlt." Allerdings sei noch eine ganze Menge zu tun, sagte Merkel etwa mit Blick auf das Durchsetzen von Ausreisepflichten oder die Digitalisierung von Ausländerämtern. "Da muss mehr getan werden und auf diesem Weg hätte man vielleicht auch hier und da schneller sein können. Aber verfehlt? Das kann ich so nicht akzeptieren", sagte die Ex-Kanzlerin.  © Deutsche Presse-Agentur

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