Verschärftes Polizeirecht: Ein Gesetzesentwurf der schwarz-roten Koalition sieht ein schärferes Polizeirecht vor, das erhöhte Videoüberwachung und mehr Polizeipräsenz mit sich bringt. Die Opposition äußert sich verhalten kritisch zu dem Vorhaben.

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Der grausame islamistische Terrorangriff in Solingen und der brutale Polizistenmord in Mannheim haben die Debatte über die innere Sicherheit in Deutschland befeuert. Die hessische Landesregierung will die Bürger vor Terror und Gewalt schützen, indem sie das Gesetz über öffentliche Sicherheit und Ordnung novelliert. Am Dienstag hat die schwarz-rote Koalition die Gesetzesänderung in den Landtag eingebracht, und Innenminister Roman Poseck (CDU) versprach: "Der vorgelegte Gesetzesentwurf wird Hessen sicherer machen." Alleine die Liberalen äußerten deutliche Kritik an dem Vorhaben, das nun in die parlamentarische Beratung geht.

"Wir wollen, dass die Menschen in Hessen so sicher wie möglich leben können", sagte Poseck. Im Land herrsche eine angespannte Sicherheitslage und neue Herausforderungen brauchten neue Antworten, die die Landesregierung mit der Verschärfung des hessischen Polizeirechts liefere. Der Innenminister kündigte an, dass im nächsten Jahr 250 zusätzliche Polizisten die hessische Polizei verstärken.

Damit seien in Hessen mehr Polizisten auf der Straße als jemals zuvor. Insbesondere bei Großveranstaltungen, wie etwa Weihnachtsmärkten, werde die Polizei sichtbar sein. Zum Zeitpunkt seiner Rede, so verriet der Minister, finde innerhalb kurzer Zeit die mittlerweile elfte Razzia im Frankfurter Bahnhofsviertel statt. "So tragen wir zu mehr Sicherheit auch in Brennpunkten bei", führte er weiter aus.

"Meilenstein" für die innere Sicherheit

Nach dem Solinger Anschlag habe Hessen mit mehr Polizeipräsenz reagiert und diese Maßnahme am Montag bis auf Weiteres verlängert. Neben der Polizeiarbeit setze Hessen auf die notwendigen rechtlichen Befugnisse, und der Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen sei in diesem Zusammenhang ein "Meilenstein."

In diesem ist unter anderem vorgesehen, dass die Videoüberwachung ausgeweitet wird und Personen in Waffenverbotszonen auch ohne konkreten Anlass überprüft werden dürfen. Zudem möchte die Landesregierung, dass künftig Gewalttäter mithilfe eines richterlichen Beschlusses länger präventiv in Haft genommen werden dürfen, wenn es konkrete Hinweise darauf gibt, dass sie Straftaten planen. Die Polizei soll mehr Möglichkeiten bekommen, mit ihren Bodycams bei Einsätzen das Geschehen zu filmen, und auch der erweiterte Einsatz der elektronischen Fußfessel und die Nutzung von Drohnen stehen im Entwurf.

"Der brutale Anschlag von Solingen hat unser Land bis ins Mark getroffen", sagte Alexander Bauer, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, bei der Einbringung des Gesetzentwurfs und ergänzte: "Um den Schutz der Bevölkerung bestmöglich zu gewährleisten, brauchen wir starke und effiziente Sicherheitsbehörden." Sicherheit sei ein menschliches Grundbedürfnis, und es sei nötig, den Menschen das Vertrauen in die innere Sicherheit zurückzugeben. Die Regeln hätten für alle zu gelten.

AfD bringt Ergänzungsantrag ein

"Wir brauchen Maßnahmen, die unsere Sicherheitskräfte bei der Bekämpfung des Islamismus, einer realen Bedrohung unserer offenen Gesellschaft, unterstützen", sagte Bauer und warnte: "Wer ständig in Furcht vor Angriffen oder gar Gewalttaten lebt, der wird nicht die individuelle Freiheit leben können, die er erstrebt." Freiheit und Sicherheit bedingten einander, weswegen sie in einen Ausgleich gebracht werden müssten. Dies ermögliche der vorgelegte Gesetzentwurf. Der AfD-Fraktion ging dieser Entwurf in Teilen jedoch nicht weit genug, weswegen sie einen Ergänzungstrag eingebracht hatte.

Die innenpolitische Sprecherin Sandra Weegels forderte unter anderem eine längere Tragezeit der elektronischen Fußfessel bei häuslicher Gewalt von bis zu einem Jahr. "Für uns geht Opferschutz klar vor Täterschutz", sagte sie. Zudem fordert die AfD eine längere Präventivhaft von bis zur vier Wochen, etwa für Klimaaktivisten, sofern sie Straftaten begehen wollen. "Wir mahnen erneut die Regierung an, die wirklichen Ursachen der steigenden Kriminalität anzugehen. Stichwort: die weiterhin stattfindende illegale Massenmigration", sagte sie. Stattdessen bekämpfe die Landesregierung nur die Symptome. Sie bezeichnete es zudem als lächerlich, bei der Videoüberwachung Moscheen und Synagogen "in einem Atemzug zu nennen".

Die Grünen warfen der AfD daraufhin Rassismus vor. Vanessa Gronemann, Sprecherin für Innenpolitik, bescheinigte CDU und SPD, in vielen Bereichen auf dem richtigen Weg zu sein. Es gehe unter anderem darum, mit mehr Videoüberwachung Angsträume zu beseitigen. Zudem sei es wichtig, dass der Einsatz von Drohnen gesetzlich geregelt werde, und das gelte auch für die Befugnisse der Polizei in Waffenverbotszonen. Bei einigen Punkten gebe es allerdings noch Fragen, die in der Beratung geklärt werden müssten.

Moritz Promny von der FDP warnte, dass das Ausmaß von Überwachungsvorhaben irgendwann unvereinbar mit einer freiheitlichen Demokratie sei. Der Liberale sagte: "Der Gesetzentwurf birgt die Gefahr einer ausufernden Videoüberwachung." Zudem ersetze die Videoüberwachung nicht die Präsenz der Polizei. "Die Überwachung ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr lehnen wir entschieden ab", stellte Promny klar. Allein auf Lage, Einsehbarkeit und Frequentierung abzustellen, sei reine Symbolpolitik, die keinesfalls zu mehr Sicherheit führe. Der SPD warf er vor, noch vor einigen Jahren die "grenzenlose Videoüberwachung" abgelehnt zu haben.

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Als sorgfältig abgewogen und verhältnismäßig bezeichnete indes Lisa Gnadl, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, den Gesetzesentwurf. Er beachte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. "Wir sehen, dass sich die Sicherheitslage verschärft hat", sagte sie und fügte an: "Wir wollen, dass die Polizei die Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, um zielgerichtet und konsequent gegen Straftaten vorzugehen."  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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