Kritik an Gesetzreform: Die Regierung in Hessen will die Handlungsfähigkeit kommunaler Parlamente stärken – unter anderem mit höheren Hürden für Kleinstparteien. Die Opposition im Landtag spricht von einem Angriff auf die Demokratie.
Die von der CDU/SPD-geführten Landesregierung geplante Reform des Kommunalrechts ist auf scharfe Kritik gestoßen. Die Opposition im Hessischen Landtag kritisiert insbesondere die Absicht, die Sitzverteilung in den Kommunalparlamenten zugunsten der größeren Parteien zu ändern. Von einem "Angriff auf die demokratischen Rechte kleinerer Parteien" spricht der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Mathias Wagner.
"Die Pläne der Regierung testen die Grenzen der Verfassung aus", warnt der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Moritz Promny. Die AfD sowie das "Bündnis Demokratische Teilhabe Hessen" hingegen kritisieren vor allem die schwarz-roten Pläne, Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene zu erschweren. Über den Gesetzentwurf zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung soll in dieser Woche erstmals im Landtag diskutiert werden.
Innenminister Roman Poseck (CDU) hatte die Regierungspläne vorgestellt und dabei von der "umfassendsten Kommunalrechtsnovelle seit zehn Jahren" gesprochen. Ziel sei es, kommunale Parlamente handlungsfähiger zu machen und Bürokratie abzubauen. Um das zu erreichen, solle unter anderem bei der nächsten Kommunalwahl im Jahr 2026 ein neues Auszählverfahren für die Sitzverteilung angewendet werden, das es für Kleinstparteien schwieriger mache, schon mit geringen Stimmenanteilen Mandate zu erringen. Um das zu erreichen, werde bei der Verteilung der Sitze in Kommunalparlamenten künftig statt des bisherigen Hare-Niemeyer-Prinzips das auch in anderen Bundesländern übliche D’Hondt-Verfahren angewendet. Von dieser Änderung würden tendenziell die größeren Parteien profitieren.
Überfällige Reform oder Gesetz "aus purem Eigeninteresse"?
Zudem soll es nach der Kommunalwahl 2026 keine Ein-Personen-Fraktionen mehr geben. Damit werde der oft lähmenden Zersplitterung der Kommunalparlamente entgegengewirkt, hofft der Innenminister. Ein mit finanzieller Unterstützung und mehr Rederechten verbundener Fraktionsstatus für Einzelpersonen existiere in dieser Form nur in Hessen. Darüber hinaus werde es Kreistagen, Stadtparlamenten und Gemeindevertretungen künftig möglich sein, die Zahl ihrer Mitglieder mit einer einfachen Mehrheit zu verringern. Bisher ist dafür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.
Während der Innenminister "viel Rückenwind" vonseiten der kommunalen Spitzenverbände verspürt, lehnen die Oppositionsfraktionen der Grünen und der FDP seine Pläne vehement ab. Die Sitzverteilung nach dem D’Hondt-System sei veraltet und ungenau, äußert Grünen-Fraktionschef Wagner. Deshalb hätten der Landtag und viele andere Parlamente von diesem Verfahren Abstand genommen. Dass Landräten, Bürgermeistern und Beigeordneten künftig von der zweiten Wahlperiode an ein achtprozentiger Besoldungszuschlag gewährt werden solle, sei angesichts knapper öffentlicher Kassen, "völlig aus der Zeit gefallen". Minister Poseck will den Amtsträgern mit der Gehaltserhöhung einen Anreiz geben, sich ihrer Verantwortung über einen längeren Zeitraum zu stellen.
Onlinepetition gegen Einschränkung von Bürgerbegehren
Der FDP-Abgeordnete Promny hält die Wahlrechtsreform für einen "Angriff auf die Pluralität in unserem Land". Die Änderung des Wahlverfahrens strebten CDU und SPD "aus purem Eigeninteresse" an, weil damit kleinere Parteien und Wählergruppen geschwächt würden. Die Regierungskoalition strebe offenbar Kreistage, Stadtparlamente und Gemeindevertretungen an, in denen möglichst wenige Parteien und Gruppen vertreten seien, um möglichst kritiklos durchregieren zu können.
Kritik gibt es auch an der vorgesehenen Beschränkung von kommunalen Bürgerbegehren. Große Infrastrukturvorhaben, für die wie etwa beim Bau einer Umgehungsstraße ein Planfeststellungsverfahren erforderlich ist, sollen nicht mehr auf diese Weise verhindert werden können. Damit passe sich Hessen der Rechtslage in anderen Bundesländern an, sagt Poseck. "Bürger können und sollen sich weiter intensiv einbringen, aber irgendwann müssen Ergebnisse auch feststehen und umgesetzt werden."
Das "Bündnis Demokratische Teilhabe", in dem etwa die Naturschutzbünde BUND und NABU sowie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club vertreten sind, kämpft mit einer Onlinepetition gegen die Einschränkung von Bürgerbegehren. Gegen diese "Beschneidung demokratischer Rechte" seien schon gut 11.000 Unterschriften gesammelt worden. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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