Glühwein für einen Euro: Der Discounter Aldi organisiert jetzt auch Weihnachtsmärkte. Die konkurrierenden Schausteller sind erbost, die Besucher finden es "goldig" und "süß". Das angekündigte gemeinsame Singen aber fällt aus.
Sebastian und Max sind extra aus Aschaffenburg gekommen – trotz Regen wie aus Kübeln und einem eisigen Wind, der einen frösteln lässt. Verabredet sind der Student und der Abiturient mit Vivian, die ebenfalls aus Aschaffenburg stammt, aber in Frankfurt zur Schule geht. Sie war es, die von dem Markt erfahren hat – auf Tiktok. "Da gehen wir hin", hat Vivian beschlossen. Und deshalb stehen sie nun an einem überdachten Holztisch auf einem Aldi-Parkplatz, nippen am Glühwein, beißen in ihre Crêpes. "Bisschen stürmisch, bisschen regnerisch", sagt Vivian. "Aber schön."
Der Discounter Aldi organisiert Weihnachtsmärkte – und hat damit den Ärger von Schaustellern und Marktbetreibern auf sich gezogen. Vier Weihnachtsmärkte für jeweils drei Tage gibt es, in Köln, München, Stuttgart und an der Hanauer Landstraße im Frankfurter Ostend, zwischen Autohäusern und Möbelmärkten. Noch vor dem Beginn der Adventszeit und gar vor dem Totensonntag und somit auch vor dem tags darauf eröffnenden Markt rund um den Römerberg beginnt und endet der von Aldi angepriesene "günstigste Weihnachtsmarkt des Landes". In Frankfurt sind die Stände bis Donnerstagabend geöffnet.
Gut besucht trotz garstigen Wetters
"Höchstens ein Glühweinmarkt" sei das, hatte Thomas Feda, Geschäftsführer der für den großen Weihnachtsmarkt am Römerberg zuständigen Tourismus und Congress Frankfurt, über die Aldi-Konkurrenz gespottet. Ohne Seele und nichts als Werbung für die Supermärkte: So lautete der Tenor der Kritiker.
Die Zwölftklässlerin Vivian ist da gnädiger. "Das ist alles sehr süß angerichtet", fällt ihr Urteil aus. Sicherlich, wenn es auch noch Stände mit Kunsthandwerk gäbe, wäre der Markt noch schöner, aber dafür sind die Preise "wirklich unschlagbar". Der Glühwein, rot, weiß oder alkoholfrei, kostet gerade einmal einen Euro in der eigens gestalteten Tasse, Crêpes und Bratwurst bekommt man für zwei Euro. "Ich liebe Weihnachtsmärkte, ich mag das Feeling", sagt Vivian. "Aber wenn ich dann für eine Bratwurst sechs und für Pommes noch einmal drei Euro zahle, wenn der Glühwein vier oder fünf Euro kostet, dann kann man sich das nicht jeden Tag gönnen."
Trotz des wirklich garstigen Wetters ist der Aldi-Markt gut besucht. Die Neugierde war bei vielen anscheinend größer als die Angst, am Ende klitschnass und frierend dazustehen. Aus den Boxen, über die wegen des Dauerregens sicherheitshalber Plastiksäcke gestülpt wurden, erklingen die üblichen Weihnachtshits: "Jingle Bells", "Let It Snow", "O du Fröhliche" ist in einer Instrumentalversion zu hören – die Klassiker sind von Gema-Gebühren befreit, hier spart Aldi standesgemäß. Das Kinderkarussell dreht sich, das angekündigte gemeinsame Singen zu jeder vollen Stunde fällt aber aus.
Über Insta zum Weihnachtsmarkt
Arlette und Norbert sind begeistert. "Goldig gemacht" sei der Markt. Den Glühwein, der dort ausgeschenkt wird, kennen sie schon länger. "Das ist der Winzerglühwein, den Aldi sonst auch verkauft". Angeboten werden an den Ständen sowieso nur Produkte der Aldi-Eigenmarken. Die Crêpes gibt es mit Aldi-Pralinen, mit Aldi-Milchmäusen, mit Aldi-Nougatcreme oder mit Aldi-Käse, die Rindsbratwürste stammen aus dem Bio-Sortiment des Discounters.
Auch Arlette und Norbert haben über die sozialen Netzwerke von dem Aldi-Weihnachtsmarkt erfahren. Bei Instagram sind sie darauf gestoßen, "und in der Zeitung stand es auch". Sie hätten sowieso einkaufen müssen, deshalb sind sie statt wie sonst mit dem Fahrrad zum Aldi im Stadtteil Fechenheim diesmal eben mit dem Auto an die Hanauer Landstraße gefahren. "Ich bin wirklich positiv überrascht", sagt Arlette. "Den Markt werde ich auf jeden Fall weiterempfehlen."
Zwischen Crêpesbude und dem Stand, an dem die Glühweingläser zurückgegeben werden, parkt ein alter VW-Bus. Darin ist eine Fotobox eingerichtet. Man kann sich mit Weihnachtsmannmützen, Hüten in Übergröße und Witzbrillen verkleiden, dann lächelt man in die Kamera und bekommt nach nicht einmal einer Minute ein Foto-Souvenir.
Oliver kümmert sich um die Fotobox. "Das ist ein super Nebenjob, dabei kommt man gut herum", erzählt er. Vor einer Woche hat er schon beim Aldi-Weihnachtsmarkt in Köln gearbeitet, dort war das Wetter deutlich besser. "Das war crazy", sagt Oliver. "Die Schlangen gingen über den ganzen Parkplatz, die Leute standen eineinhalb Stunden für einen Becher Glühwein an." © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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