Günstige E-Autos: Opel-Mutterkonzern Stellantis verkauft E-Autos des chinesischen Partners Leapmotor in Europa.

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Das günstigste Modell kostet weit weniger als der Opel Corsa – und wird in Polen gebaut. Damit bekommt Opel Konkurrenz aus dem eigenen Haus.

In Frankfurt und anderen Großstädten sind sie unübersehbar: Die Autohäuser, die chinesische E-Auto-Bauer dort eröffnet haben, zum Teil in bester Citylage. Neuerdings bietet aber auch der Opel-Mutterkonzern Stellantis batteriebetriebene Fahrzeuge aus China an: In der Stellantis-Niederlassung in Neu-Isenburg beispielsweise werden neben Autos der Marken Citroën und Peugeot jetzt auch solche von Leapmotor verkauft, einem 2015 in der ostchinesischen Stadt Hangzhou gegründeten Hersteller.

T03 und C10 heißen die beiden vollelektrischen Modelle, die seit Ende September in Europa bestellt werden können. So nüchtern wie die Namen ist auch das Design – Leapmotor will mit seinen Preisen punkten: Der Kleinstwagen T03, der mit 3,60 Metern Länge im Format etwa dem Fiat 500 entspricht, kostet in der Basisvariante 18.900 Euro – Navigationssystem, Parksensor und weitere Assistenzsysteme inbegriffen.

Die geräumige Familienkutsche C10 ist von 37.600 Euro an zu haben. Zum Vergleich: Der von der Größe ähnliche Opel Grandland kostet in der E-Variante 46.750 Euro, wobei seine Reichweite mit 523 Kilometern größer ist als die des C10 mit 420 Kilometern.

Konkurrenz aus dem eigenen Haus

Warum aber vertreibt Stellantis chinesische Fahrzeuge, die den Modellen von Opel und anderen Konzernmarken Konkurrenz machen? Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, glaubt, dass Stellantis damit "den Innovationsdruck inhouse erhöhen will". Zudem sei es angesichts des Vorsprungs chinesischer Hersteller vor allem bei Softwarelösungen fürs Auto "nicht verkehrt, von China zu lernen".

Stellantis hat zu diesem Zweck vor einem Jahr für 1,5 Milliarden Euro 20 Prozent der Anteile von Leapmotor erworben. Gleichzeitig gaben die beiden Unternehmen die Gründung eines Joint-Ventures namens Leapmotor International bekannt, das den Vertrieb der Fahrzeuge außerhalb Chinas organisiert. Und der T03 wird inzwischen auch in einem Stellantis-Werk in Polen produziert. Der Grund: Bei der Einfuhr von E-Autos aus China fallen hohe Zölle an.

Das ist bei einer Fertigung in Polen nicht der Fall – aber: "Ein Elektroauto mit einem Preis von weniger als 20.000 Euro in Europa herzustellen ist schwer", sagt Branchenexperte Bratzel. Zwar ist Dacia, das rumänische Tochterunternehmen von Renault, schon länger mit einem Modell in diesem Preissegment unterwegs – dem Kleinwagen Spring. Gefertigt wird der aber vom chinesischen Kooperationspartner Dongfeng.

Noch vor einem Jahr hatte Stellantis unter dem Slogan "das erste erschwingliche europäische Elektroauto" den Citroën ë-C3 angekündigt, der im slowakischen Trnava gebaut und seit dem Frühjahr zum Preis von 23.300 Euro angeboten wird. Mit dem T03 bekommt er nun Konkurrenz aus dem eigenen Konzern, wenn der chinesische Neuzugang auch etwas kleiner ist und eine geringere Reichweite hat als der Citroën.

Europa ist abhängig von chinesischen Batterien

Opel hat angekündigt, ein E-Auto zu einem Verkaufspreis von 25.000 Euro aufwärts auf den Markt zu bringen. Bislang sind die günstigsten Elektroautos der deutschen Stellantis-Marke mit jeweils knapp 30.000 Euro der Frontera, der in der Slowakei gefertigt wird, und der Corsa Electric – der Kleinwagen Corsa wurde bis 2019 auch im Opel-Werk in Eisenach hergestellt, inzwischen nur noch im spanischen Saragossa.

Ferdinand Dudenhöffer vom Center für Automotive Research in Bochum meint: "Jetzt von deutschen Herstellern ein 20.000-Euro-Auto mit 500 Kilometern Reichweite zu fordern ist unrealistisch." Deutlich niedrigere Preise werde es für Modelle heimischer Autobauer erst geben, "wenn die Preise für Batterien zurückgehen".

Zwar beziehen auch deutsche Hersteller einen Großteil ihrer Batterien aus China – doch die EU-Kommission hegt den Verdacht, dass die dortigen Autobauer die Akkus deutlich günstiger bekommen als die europäische Konkurrenz. Ihre Empfehlung für die zu Monatsbeginn eingeführten Strafzölle auf chinesische E-Autos hatte die Brüsseler Behörde unter anderem damit begründet, dass Peking die großen chinesischen Batteriehersteller CATL und BYD zwinge, ihre Produkte auf dem Heimatmarkt zu Billigpreisen anzubieten.

Die Batterie ist bei Elektroautos der größte Kostenfaktor. Die Bemühungen, die Abhängigkeit Europas von den chinesischen Herstellern zu verringern, kommen nicht recht voran: Der schwedische Batteriehersteller Northvolt, der in Schleswig-Holstein ein Werk plant, kämpft ums Überleben.

In Frankreich wurde 2023 zwar eine Batteriezellenfabrik eröffnet, die das von Stellantis und Mercedes-Benz gegründete Gemeinschaftsunternehmen ACC errichtet hat. Die Pläne für zwei weitere Werke in Kaiserslautern und im italienischen Termoli legte ACC im Sommer aber auf Eis. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte Stellantis-Chef Carlos Tavares damals mit den Worten: "Wir werden unsere Investitionspläne für Elektroautos an das Tempo anpassen, mit dem die Verkäufe von Elektroautos wachsen."

Und damit sieht es nicht gut aus: Europaweit wurden in den ersten zehn Monaten dieses Jahres fünf Prozent weniger Elektroautos verkauft als im Vorjahreszeitraum, was laut dem europäischen Herstellerverband ACEA vor allem daran liegt, dass der Absatz in Deutschland um 27 Prozent eingebrochen sei. Opel verkaufte laut Kraftfahrzeugbundesamt sogar rund zwei Drittel weniger E-Autos als im Vorjahr.

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Das macht sich auch in Rüsselsheim bemerkbar, obwohl dort auch Verbrenner gebaut werden. Im November wurden Produktionsschichten gekürzt. Nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall wurde bereits im Oktober die Zahl der Leiharbeiter um 200 auf ungefähr 500 reduziert.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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