Schwerin - Einen Tag nach dem mit Hilfe der AfD gefassten Bundestagsbeschluss zur Verschärfung der Migrationspolitik sind im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern die Fronten in aller Härte aufeinandergeprallt.
Ministerpräsidentin
Der spontanen Rede folgte eine spontane Aussprache. Landtagspräsidentin Birgit Hesse sprach von einer "Sternstunde im Parlament". Die Wogen schlugen hoch. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Peters warf Schwesig vor, ihr Amt und das Parlament für eine "billige Wahlkampfrede" zu missbrauchen.
CDU-Chef wirft Schwesig pseudodemokratische Argumente vor
Peters kritisierte, dass die Ministerpräsidentin in ihrer Rede kein Wort zum Ursprung des Antrags der Union im Bundestag verloren habe, kein Wort zu den Opfern der Gewalttaten von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg. Die Union habe SPD und Grüne zu ihrem Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Migrationspolitik eingeladen, doch die Unterstützung sei ausgeblieben. Zum Inhalt des Unionsantrags habe die Ministerpräsidentin nichts gesagt. "Es war eine Rede mit Schmähungen, mit pseudodemokratischen Argumenten." Es gebe vonseiten der Union keine Zusammenarbeit mit der AfD, betonte der Fraktionschef.
Der SPD-Fraktionschef Julian Barlen meinte nach der Debatte in einer schriftlichen Mitteilung: "Die CDU will unserer Ministerpräsidentin das Wort verbieten." Die Ministerpräsidentin habe das ihr laut Geschäftsordnung des Landtages zustehende Wort ergriffen und "angesprochen, was die Menschen in ganz Deutschland, und auch in unserem Land bewegt".
Der AfD-Politiker Enrico Schult erklärte: "Ich bin entsetzt, dass die Ministerpräsidentin die Plenarsitzung des Landtages als Bühne missbraucht, um gegen demokratische Mehrheiten Stellung zu beziehen. Sie ist diejenige, die sich damit von der Demokratie abwendet."
FDP erinnert an schwerste Straftaten
Der FDP-Fraktionsvorsitzende René Domke verwies auf die Reihe schwerster Straftaten, die zum Antrag der Union im Bundestag geführt habe. Oft sei ein Muster erkennbar gewesen: Täter polizeibekannt, Gefährderpotenzial, unabgestimmtes Vorgehen bei Sicherheitsbehörden, nicht vollzogene Abschiebungen. Es sei am Mittwoch im Bundestag um eine Richtungsentscheidung in der Migrationspolitik gegangen. "Sie versuchen, eine Sachdebatte, die dringend geführt werden muss in Deutschland, in eine emotionale Auseinandersetzung um den Umgang mit der AfD umzudeuten", sagte er. Das sei durchschaubarer Wahlkampf.
Domke und Peters verwiesen auf Androhungen von Gewalt gegen Parteibüros infolge der Emotionalisierung der Debatte. An die Adresse von SPD, Linken und Grünen appellierte Domke: "Pfeifen Sie Ihre Leute zurück!" Nach der Debatte beriet der Ältestenrat des Landtags und distanzierte sich im Ergebnis von jeglicher Gewalt in der politischen Auseinandersetzung.
Die Grünen-Politikerin Constanze Oehlrich forderte die CDU-Landtagsfraktion auf, sich zur demokratischen Mitte zu bekennen. "Dieses Land braucht eine CDU, die Verantwortung übernimmt und sich klar von der AfD distanziert", erklärte sie. Eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen dürfe es nicht geben. "Alles andere bedeutet eine Normalisierung antidemokratischer und menschenverachtender Positionen", meinte sie.
Linke: Dammbruch nach unten
Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Jeannine Rösler, bezichtigte die Union, im Bundestag eine Lawine losgetreten zu haben. "Das ist ein Dammbruch nach unten", so Rösler. "Warum sollten nach dem gestrigen Tag auf Landes-, Kreis- oder Gemeindeebene Mitglieder der CDU die Arbeit mit der AfD verweigern, wenn sie von ganz oben einen Freibrief erhalten haben?"
Der Rostocker Politikwissenschaftler Wolfgang Muno hält es für durchaus möglich, dass die Brandmauer zur AfD auf Landesebene in MV fallen könnte. Beim aktuellen Führungspersonal der CDU sei das denkbar, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Beim letzten Landesparteitag habe außer Philipp Amthor kaum jemand klare Kante gegen die AfD gezeigt. "Während alle anderen da sehr zurückhaltend und gemäßigt waren", sagte Muno. Sie seien stattdessen vor allem einen "Anti-Schwesig-Kurs" gefahren. © Deutsche Presse-Agentur
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