Inga Scheel brachte am Montagnachmittag die Sicht des Kölner Flüchtlingsrates auf eines der Themen im Sozialausschuss des Stadtrates mit klaren Worten auf den Punkt: "Die Bezahlkarte für geflüchtete Menschen ist ein populistisches Diskriminierungsinstrument.
Sie ist Symbolpolitik, die rassistische, menschenverachtende Ressentiments bedient", so die Bereichsleiterin des Kölner Flüchtlingsrates für Leverkusen unter dem Beifall von knapp 30 Demonstrantinnen und Demonstranten, die sich auf dem Platz vor dem Rathaus in Wiesdorf versammelt hatten. Oliver Bramorski von der SPD, der die kleine Kundgebung angemeldet hatte, hatte zuvor gesagt, er hoffe auf ein breites Ablehnungsbündnis gegen die Bezahlkarte im Sozialausschuss. Der Bund hat die Bezahlkarte anstelle von Bargeld für den Bezug bestimmter staatlicher Leistungen eingeführt.
Im fünften Stock des Rathauses entzündete sich dann eine Debatte über das Für und Wider der Bezahlkarte. Vor ziemlich genau einem Jahr hatten Sozialausschuss und Stadtrat schon einmal über die Karte debattiert, aber dann eine Entscheidung verschoben, weil noch Informationen dazu fehlten. Außerdem sollten die Sozialverbände in der Stadt dazu gehört werden. Die haben sich im Februar 2024 klar und deutlich gegen die Bezahlkarte ausgesprochen. Von einem "Instrument der Diskriminierung, der Stigmatisierung und der Entmündigung" war damals in der Stellungnahme die Rede.
Das focht CDU-Mann Tim Feister freilich nicht an. Er lobte die Bezahlkarte als "pragmatisches, modernes Instrument". Lena Marie Angermann und Heike Bunde von der SPD konterten das kühl mit dem Verweis auf die Verwaltung. Tatsächlich warnt die in ihrer Stellungnahme zu den Anträgen für die Einführung der Karte, die neben der CDU auch die FDP und die AfD gestellt hatten, vor einem erheblich erhöhten Verwaltungsaufwand und einer finanziellen Mehrbelastung der Stadt. Zudem verweist sie darauf, dass 97 Prozent der Asylbewerberinnen und -bewerber in der Stadt bereits über ein Girokonto verfügen: "Durch die Einführung der Bezahlkarte wird ein bereits bestehendes und funktionierendes Leistungsgewährungssystem abgeschafft."
Der Ausschuss nahm schließlich mit einer Mehrheit von zehn Stimmen den Antrag der SPD an. Dieser empfiehlt dem Stadtrat zu beschließen, dass Leverkusen nicht an dem Bezahlkartensystem teilnimmt (Opt-Out).
Hielt sich das Wahlkampfgeplänkel in der Debatte über die Bezahlkarte noch in recht engen Grenzen, war es damit ein paar Tagesordnungspunkte später vorbei, als es um den Antrag der CDU zur Arbeitsverpflichtung von Asylbewerberinnen und -bewerbern ging. CDU-Mann Joshua Kraski verwies zunächst darauf, dass die Möglichkeit, Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, in Paragraf 5 Asylbewerberleistungsgesetz explizit vorgesehen sei. Die CDU möchte, dass die Verwaltung dazu ein Konzept erarbeitet.
In der Begründung ihres Antrags verweist die CDU jedoch auf einen angeblichen "Stimmungsumschwung in der Bevölkerung" bezogen auf Migrantinnen und Migranten, sieht "unkontrollierte und irreguläre Migration" und stellt sich als die Partei dar, die "die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt". Zudem unterstellt sie, es werde gemeinhin angenommen, dass "Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens nahezu beschäftigungslos den Tag verbringen", unterschlägt aber dabei, dass geflüchtete Menschen während ihres Asylverfahrens laut dem unter CDU-Kanzler Helmut Kohl erstmals verabschiedeten Gesetz gar kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und auch kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Kranken- und Rentenversicherung aufnehmen dürfen.
All diese Punkte dürften den folgenden Rednern im Kopf herumgegangen sein, die Kraski heftig widersprachen. Stephan Adams von Opladen Plus forderte die CDU-Vertreter auf, sich doch am besten direkt neben den Mann von der AfD im Ausschuss zu setzen, so nah sah er den Antrag an den Haltungen der rechtsextremen Partei. Friedrich Busch von der FDP befand, der CDU-Antrag sei "jenseits von Gut und Böse: Das müssen Sie einstampfen, es ist einer CDU nicht würdig", und erhielt prompt Beifall von SPD und Grünen. Zöhre Demirci (Grüne) warf der CDU vor, sie plane diskriminierende Maßnahmen und auch die SPD sah "AfD-pur" in dem Antrag.
Die Stellungnahme von Sozialdezernent Alexander Lünenbach zu dem CDU-Antrag zeigt im Grunde, dass es das eingeforderte Konzept längst gibt. Die Verwaltung verweist Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebote für Geflüchtete (104 Plätze), die aktuell von 40 Männern und Frauen wahrgenommen werden. Zu dem gibt es 148 Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen bei Trägern der freien Wohlfahrtspflege, von denen 100 derzeit besetzt sind. Die Verwaltung teilt aber auch mit, dass es in Leverkusen seit dem Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahr 1993 "keine Verpflichtungen gemäß § 5 AsylbLG" gegeben habe. Begründung: sprachliche Hürden, Traumata, gesundheitliche Probleme auf Seiten der Geflüchteten und der damit verbundene personelle Aufwand aufseiten der Verwaltung. Der Vorschlag von Opladen-Plus-Mann Adams, die Angelegenheit mit der Stellungnahme aus dem Dezernat Lünenbach für erledigt zu betrachten, wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Trotz Wahlkampfgetöse auch Sachentscheidungen im Sozialausschuss
Dass der Sozialausschuss – Wahlkampf hin oder her – auch am Montag in der Lage war, selbst in Zeiten knapper Kassen einmütige Entscheidungen im Sinne der Bürger zu fällen, zeigten die Tagesordnungspunkte (TOP) 4 bis 6. Einhellig stimmte der Ausschuss unter TOP 4 dafür, dass sich die Frauenberatungsstelle Pro Familia Leverkusen im Ausschuss demnächst vorstellt und die Organisation in die Gesundheitskonferenz der Stadt aufgenommen wird. Unter TOP 5 votierte die übergroße Mehrheit im Ausschuss dafür, das Case-Management in der kommunalen Integrationsarbeit wie bisher bei neun Stellen – sechs bei freien Trägern, drei bei der Stadt – zu belassen und lediglich die Sach- und Gemeinkosten, die über die reine Stellenfinanzierung nicht mehr bei der Stadt, sondern bei den Trägern anzusiedeln. Und unter TOP 6 empfahl der Ausschuss mehrheitlich dem Stadtrat, die Mittel für die Quartiersarbeit in Manfort und Alkenrath nicht wie von der Verwaltung empfohlen, auf 100.000 Euro zu senken, sondern bei 150.000 Euro pro Jahr zu belassen. (ps) © Kölner Stadt-Anzeiger
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