Gleis zu verkaufen, ja so was gibt es auch. Und sogar ein Gleis mit viel Eisenbahngeschichte. Viele Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen gibt es nicht.

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Die Häfen- und Güterverkehr Köln etwa, oder, etwas exotischer, die Borkumer Kleinbahn und die Görlitzer Parkeisenbahn. Oder auch die Tochterfirmen der Deutschen Bahn. Eben diese Deutsche Bahn sucht jetzt unter den Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen einen Käufer oder einen Pächter für das seit Jahrzehnten stillgelegte Streckengleis von Bergisch Gladbach nach Bensberg.

Bis 12. März noch können sich Interessenten melden. Der Kaufpreis liegt bei erschwinglichen 239.771,39 Euro, etwa so teuer wie eine mittelgroße Wohnung. Als Pacht wären 19.181,71 Euro jährlich zu zahlen. 1555 Meter Baulänge, Nutzlänge 1510 Meter, ohne Oberleitung, ohne Laderampe.

Nun ja, es gibt einen Haken: Die Bahn kalkuliert den Sanierungsaufwand in den kommenden Jahren auf 5,5 Millionen Euro. Das müsste der neue Eigentümer übernehmen. Die Bahn wäre dann aus dem Schneider bei den Kosten und das Gleis los. Der neue Eigentümer könnte die Strecke nutzen, mit eigenem Streckenbetrieb.

Entscheidung zum Gleiskauf in Bergisch Gladbach beim Eisenbahnbundesamt

Auch das Vermieten wäre eine Option. Falls sich weder Käufer noch Pächter für das nostalgische Gleis finden, läutet die Bahn ein Stilllegungsverfahren ein – das ist die Absicht des Kaufangebots. Denn es ist absehbar, dass sich kein Käufer melden wird. Das Eisenbahnbundesamt entscheidet dann später, ob das Gleis tatsächlich ausrangiert wird.

"Von diesem Verfahren wusste ich bislang nichts", sagt Jörg Seidel vom Rheinischen Industriebahn Museum (RIM) in Köln. Die Bahnfreunde haben in den vergangenen Jahren mehrere Nostalgiefahrten auf dem alten Gleis angeboten. "Wir sind ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, keines für die Infrastruktur", sagt Seidel, mit der Kaufanfrage der DB habe der Verein nichts zu tun. Offenbar sträube sich die Stadt Bergisch Gladbach sehr dagegen, das Gleis zu erhalten, meint Seidel, eine Nutzung als Radweg oder Straße werde angestrebt. Nicht aber als Gleis.

Dabei gelte diese Strecke nach einer Untersuchung des Verbands Deutsche Verkehrsunternehmen (VDV) als reaktivierungswürdig. So etwas werde sich rechnen, meint Seidel überzeugt. Seidel kann sich vorstellen, dass sein Verein in einem Stilllegungsverfahren Interesse an einer Nutzung der Strecke bekundet. Oder auch andere Eisenbahnvereine. Nach aktueller Rechtsprechung wäre dann eine Entwidmung der Strecke nicht möglich.

Neue Ausfahrt in Planung

Auch in diesem Herbst planen die Eisenbahner eine touristische Fahrt auf der alten Strecke der Sülztalbahn in Richtung Bensberg. "Bis zum alten Gladbacher Personenbahnhof, der heutigen Fachhochschule, würden wir dann fahren", sagt Seidel. Sein Verein miete die "Trasse" beim Infrastrukturunternehmen an, erhalte den Fahrplan und später eine Rechnung: für die Nutzung der Gleise, eines Bahnhofs, der Signale und der Weichen. "Solche Rechnungen erhalten alle Unternehmen, die Gleise befahren", sagt Seidel. Diese Nostalgiefahrten seien ein "Renner". Grundsätzlich sei eine Stilllegung von Gleisen bei Interesse eines Verkehrsunternehmens nicht möglich.

Nach langer Pause auf der Strecke hat der Verein seit 2019 mehrere Fahrten mit historischen Schienenbussen organisiert, einmal auch mit "Rheingold"-Wagen. Das sei alles sehr aufwendig zu planen, erläutert Seidel. Die Strecke müsse zuvor von den Vereinsmitgliedern freigeschnitten werden.

Auswirkungen auf Brückenplanungen

Die Stadt schaut genau auf die Verfahren um das Streckengleis. Eine Anbindung der geplanten Straßenüberführung von der Britanniahütte zum Gleisdreieck beziehungsweise eine Unterführung für Radler und Passanten am geschlossenen Bahnübergang Tannenbergstraße hängt technisch eng mit dem alten Gleis zusammen. Bei einem Fortbestand müssten wohl Anschlüsse verändert werden.

Die Verbindung zwischen Gladbach und Bensberg besteht seit Oktober 1870. Der Reisezugverkehr endete am 29. September 1965, der Güterverkehr im Mai 1989. Von 1999 bis 2012 nutzte die Papierfabrik Zanders den Güterterminal Zinkhütte, hinter Lückerath, als Verladestation.

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Im April und Mai 2019 hatte der Verein Rheinisches Industriebahn Museum zwei Sonderfahrten mit Schienenbussen angeboten. Im September 2019 kamen historische "Rheingold"-Waggons auf Kurzbesuch. Im März 2024 gab es die letzte Sonderfahrt auf der Strecke.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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