Deutschland Fußball-Nationalspieler Julian Draxler bezweifelt, dass die sozialen Chancen in Deutschland gleich verteilt sind und jedes Kind dieselben Möglichkeiten einer guten Ausbildung hat. Mit uns hat er exklusiv über sein neues Engagement als ehrenamtlicher UNICEF-Pate gesprochen.
Julian Draxler, Offensivspieler bei Paris Saint-Germain und Weltmeister von 2014, bereitet sich mit dem DFB-Team auf die bevorstehende Fußball-WM in Russland vor.
In der französischen Liga steht er mit seinem Team unangefochten an der Tabellenspitze. Neben dem sportlichen Erfolg sieht der 24-Jährige allerdings noch etwas anderes in seiner Pflicht und Verantwortung: Sich für Kinder einzusetzen, denen es nicht so gut geht.
Zum Start seines Engagements als UNICEF-Pate ist er mit uns nach Kopenhagen gereist, um sich das weltgrößte Logistikzentrum für Hilfsgüter anzusehen. Gemeinsam mit Mats Hummels unterstützt er zudem die Kampagne #Stop10Seconds.
Die Größe hat mich auf jeden Fall beeindruckt. Ich war heute das erste Mal bei einer Hilfsorganisation vor Ort und konnte hinter die Kulissen blicken. Es war echt überraschend, wie viel High Tech und Organisation dahinter steckt.
Für mich persönlich war es sehr spannend zu sehen, wie viele Sachen es abgesehen von Lebensmitteln gibt, um Kindern in Krisengebieten zu helfen. Und wenn man sieht, wie euphorisch alle Mitarbeiter bei der Sache sind, ist das eine sehr schöne Erfahrung.
Ich bereue es in jedem Fall nicht, diese Reise gemacht zu haben. Es war sehr interessant und hat Spaß gemacht.
Es ist ja auch ein wahnsinniger logistischer Aufwand, der hinter UNICEF und der Versorgung mit Hilfsgütern steckt. Hat der Ausflug heute deinen Blick auf die Arbeit von Hilfsorganisationen verändert?
Auf jeden Fall. Wenn man zum Beispiel einen Spendenaufruf im Fernsehen oder Internet sieht, dann weiß man eigentlich nie so genau, wofür man das Geld oder die Waren spendet.
Hier sieht man mal, welche Organisation dahintersteckt und wie professionell das alles gemacht wird. UNICEF arbeitet wirklich überragend und jeder Einzelne, der Hilfsbereitschaft zeigen möchte, kann darauf vertrauen, bei UNICEF in guten Händen zu sein.
Nein. Also ich wusste natürlich, dass es Hunger in der Welt gibt, dass auch viele Kinder daran sterben. Aber es hat mich schockiert, dass es alle 10 Sekunden ist.
Wenn man sich das vor Augen führt, wie schnell und regelmäßig das ist, wie viele noch Hunger in der Welt leiden und vor allem Kinder daran sterben - das ist wirklich schlimm.
Das ist auch der Sinn hinter der Kampagne, dass man einen Schockmoment hat. Dass alle 10 Sekunden ein Kind an Hunger stirbt, das darf es in der heutigen Welt nicht mehr geben, und dafür müssen wir uns engagieren und kämpfen.
Du warst einer der Ersten, der nominiert wurde. Wie ist bisher die Resonanz? Du bist auch in den Sozialen Medien sehr aktiv …
Ausgewertet habe ich das jetzt nicht und ich weiß auch nicht, ob die Leute schon fleißig gespendet haben.
Aber durch den einen Post hat mich schon mal die Familie gefragt, was das ist. Und wofür ich das mache. Oder auch Freunde kommen auf mich zu und finden es cool, dass ich es mache oder wollen wissen, worum es genau geht. So kann man allen Leuten in der unmittelbaren Umgebung nahe bringen, was da eigentlich abläuft.
So erzielen wir größeres Interesse. Und hoffentlich nützt das am Ende dann auch etwas und wir sehen es an den Spenden.
Du startest jetzt selber auch ehrenamtlich als UNICEF-Pate. Wie bist du dazu gekommen? Kam UNICEF auf dich zu?
Es war eigentlich genau andersrum. Ich bin ja jetzt schon einige Jahre Profifußballer und habe ein relativ sorgenfreies Leben. Und es kam mir immer mehr der Gedanke, dass man doch etwas zurückgeben muss. Den Menschen, denen es nicht so gut geht.
Deswegen habe ich mir einen Partner gesucht, mit dem ich viel erreichen kann und bin proaktiv auf UNICEF zugegangen. Ich habe ihnen angeboten, sie zu unterstützen, in welcher Hinsicht auch immer. Dann haben wir uns getroffen und ausgetauscht - und so ist unsere Partnerschaft entstanden.
Du bist ja bereits mit acht Jahren zu Schalke gekommen und hast dort eine "Rundumförderung" erhalten. Wie ist es für dich, wenn du dir vorstellst, dass Kinder in demselben Alter Hunger leiden oder täglich Wasser suchen müssen, um zu überleben?
Ich glaube, dass das für uns Europäer sehr, sehr schwer vorstellbar ist. Es gibt teilweise Kinder, die kennen nichts anderes als Krieg.
Oder wie du sagst, die müssen jeden Tag gucken, wo sie Wasser herbekommen. Deswegen glaube ich, dass man das gar nicht so richtig in Worte fassen kann, was das in einem auslöst.
Ich glaube, man muss in der Situation gewesen sein, um wirklich zu wissen, wovon man da redet. Aber alleine, dass das Thema noch existiert, müsste Grund genug für jeden Einzelnen sein, der hilfsbereit ist, da etwas in Bewegung zu setzen.
Es löst bei mir aber natürlich Traurigkeit aus. Und auch die Frage, wie das heutzutage noch sein kann.
Matthias Ginter hat vor kurzem in einem Interview gesagt, dass sich der Fußball zusehends von der normalen Gesellschaft abspalte: "Wir sind abgeschottet. Das war bei Profifußballern vielleicht schon immer so, aber ich habe das Gefühl, dass es zunimmt." Siehst du das ähnlich? Gerade dein Engagement für UNICEF ist ja genau das Gegenteil.
Ich glaube, das empfindet jeder im Profifußball ein bisschen anders. Speziell in Bezug auf Abschottung, ist es natürlich schon so, dass wir Spieler immer mehr von der Umgebung abgeschottet werden.
Der direkte Kontakt zu Fans und Außenstehenden, gerade bei Spielen, wird immer seltener beziehungsweise immer kontrollierter. Und manchmal möchte man sich auch selbst einfach etwas zurückziehen. Das ist ja auch menschlich.
Doch auch wenn Fußball ein globales Sport- und Wirtschaftsthema ist, so gibt es in der Welt weit wichtigere Dinge – das steht außer Frage.
Wenn man das jetzt auf das Thema UNICEF bezieht, sollten gerade wir Fußballprofis - die wir Massen bewegen, in der Öffentlichkeit stehen und Millionen von Fans haben - unsere Möglichkeiten nutzen, um auf Missstände hinzuweisen, Engagement zeigen und unsere Stimme für die einsetzen, die nicht gehört werden.
Du bist ja noch recht jung, aber durch deinen Beruf schon viel rumgekommen, hast viel von der Welt gesehen. Was muss sich ändern, damit Kinder und Jugendliche hoffnungsvoll in die Zukunft schauen können - auch, wenn sie nicht ein Talent oder eine Chance haben wie du?
Chancengleichheit ist für die Zukunft der Kinder enorm wichtig, gerade in Sachen Bildung und Ausbildung. Und das ist noch lange nicht überall gegeben. Nicht nur in Krisengebieten, wo Krieg oder Hungersnot herrschen, sondern auch hier bei uns in Deutschland.
Ich bezweifle, dass ein Kind, dessen Eltern Hartz IV beziehen oder das aus einem sozialen Brennpunkt kommt, dieselben Ausbildungschancen erhält, wie ein Kind, das auf eine Privatschule geschickt wird.
Und deswegen sind wir da sicher noch lange nicht am Ende des Weges angekommen. Die Zukunft liegt immer in den Händen der Kinder.
Wir müssen ihnen die größtmöglichen Chancen geben, ihre Zukunft so gut wie möglich gestalten zu können. Das ist unsere Pflicht und Verantwortung. Wo Eltern dazu nicht in der Lage sind, müssen alle anderen helfen und unterstützen.
Voraussetzung dafür ist eine intakte Gemeinschaft, denn alleine kann man nur wenig bewegen. Das ist sehr vergleichbar mit Fußball. Auch wenn einzelne Spieler immer wieder zu herausragenden Leistungen fähig sind, so gelingt dies nur durch ein starkes Team. Ein wichtiger Grund weshalb ich mich für UNICEF engagiere.
Noch eine Frage zum Schluss: Welche Botschaft würdest du Jugendlichen für ihre Zukunft mitgeben?
Das ist schwer zu sagen, das ist ja eine sehr allgemeine Frage und jeder hat individuelle Ziele, Ambitionen oder möchte etwas anderes bewegen.
Deswegen wäre meine Botschaft eigentlich nur, dass man versucht, man selbst zu bleiben. Dass man sich nicht verbiegen lässt, sich selbst treu bleibt und an sich glaubt.
Und nicht vergessen, dass man nicht der einzige Mensch auf der Welt ist, sondern es auch noch ein Miteinander, eine Gemeinschaft gibt.
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