Unter Interimstrainer Hansi Flick schlägt der FC Bayern Olympiakos Piräus und zieht ins Achtelfinale der Champions League ein. Erste taktische Kniffe des Nachfolgers von Niko Kovac zeigten am Mittwochabend bereits Wirkung. Dennoch war Sieg bei weitem kein Befreiungsschlag.

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27:3-Torschüsse, 14:1-Ecken, 65 Prozent Ballbesitz - geht es nach diesen Zahlen, so hat der FC Bayern Außenseiter Olympiakos Piräus beim 2:0-Sieg (0:0) dominiert. Mitten in einer turbulenten Woche samt Trennung von Trainer Niko Kovac gibt es damit doch noch ein Erfolgserlebnis für den angeschlagenen Bundesliga-Rekordmeister: den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale der Champions League mit zwölf Punkten aus vier Spielen.

Von einem Umschwung zu reden, wäre angesichts einer stellenweise zaghaften Darbietung der Münchner aber wohl übertrieben. Und doch hat Interimstrainer Hansi Flick der Mannschaft mit ein paar wenigen Kniffen mehr Sicherheit verliehen.

"Ich kenne ihn (Flick, Anm. d. Red.) schon lange. Er ist sehr besonnen, hat mit vielen Spielern gesprochen", erklärte Torwart Manuel Neuer nach dem Sieg in der Mixed Zone der Allianz Arena gegenüber unserer Redaktion. "Er kommt jetzt aus dem Deckungsschatten, weil er in der Pflicht steht."

FC Bayern gegen Olympiakos: David Alaba rückt in die Abwehrmitte

Flicks Maßnahmen waren einfach, aber effizient. "Es war wichtig, dass wir gut stehen, Ruhe hereinbekommen", sagte Neuer. Für Ruhe sind im Fußball gemeinhin jene Spieler verantwortlich, die auch unter Bedrängnis einen feinen Fuß haben. David Alaba ist ein solcher Spieler. Deshalb beorderte Flick - wie schon Kovac bei der 1:5-Klatsche in der Bundesliga gegen Eintracht Frankfurt - den Österreicher neben Javi Martinez in die Abwehrmitte - Chance und Risiko zugleich.

Bereits Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola prophezeite Alaba einst in seiner gewohnt euphorischen Art, einer der "besten Innenverteidiger der Welt" zu werden. Und Guardiolas Nachfolger Carlo Ancelotti meinte einmal bei "ESPN": "Er beherrscht das passive Verteidigen, wo man die Position halten muss, genauso wie das aktive Verteidigen, bei dem die Spieler je nach Situation aus der Abwehr rausrücken."

Beim FC Bayern steht die Null - dafür leidet die Spieleröffnung

Gegen Olympiakos interpretierte Innenverteidiger Alaba seine Rolle passiv, opferte Spieleröffnung für sicheres Stellungsspiel. Das funktionierte, mehr aber auch nicht. Zur Wahrheit gehört, dass der 27-Jährige nur jeden zweiten Zweikampf gewann - eine mittelmäßige Quote. Für ein Zu-Null-Ergebnis reichte es.

"Das war eines unserer Ziele, das wir heute erreichen wollten", sagte Alaba in den Katakomben der Arena. Mannschaftskollege Thomas Müller brachte den Nachteil auf den Punkt: "Wir hätten von hinten ein bisschen schneller herausspielen können."

Gut für Bayern, dass die Griechen höchst zaghaft angriffen."Ich kann mir nicht vorstellen, dass es gegen Dortmund auch so ist", meinte Neuer schon mal vorsorglich.

Hansi Flick setzt auf defensive Kompaktheit und hohes Pressing

Auch eine Reihe weiter vorne opferte ein Bayern-Star offensive Ambitionen defensiven Pflichten. Joshua Kimmich spielte einen konventionellen Sechser, ließ sich teils tief fallen und kreiste mitunter zwischen Viererkette und Schaltzentrale, um Lücken zu schließen. Es ist vielleicht einer der größten Fortschritte in Flicks extrem kurzer Zeit als Trainer.

Schließlich hatte Vorgänger Kovac Mühe, den forschen Kimmich im Zaum zu halten und an seine Pflichten im Defensivverbund zu erinnern. "Wir sind zufrieden, dass wir es heute so kompakt gespielt haben", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic nach der Partie - und meinte sicher auch Kimmich. Den Schwaben flankierte der ebenfalls 24-jährige Leon Goretzka.

Stattdessen saßen die offensiv ausgerichteten Spielmacher Thiago und Philippe Coutinho auf der Bank. Flick setze also auf einen deutschen Arbeiterblock in der Mitte anstelle zuletzt wenig effektiver spanisch-südamerikanischer Ballkunst. Markant: Dieser Fußball kommt der Grundidee von Kovac sehr nahe.

Flick schaffte es aber, dass die Bayern ihr Pressing wieder mehr einbrachten - konkret Serge Gnabry, Kingsley Coman und der harmlose Thomas Müller im Verbund. "Die Vorgabe war, nach vorne zu verteidigen, hoch zu stehen. Wir hatten in der ersten Halbzeit viele Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte und haben den Gegner so unter Druck gesetzt", sagte Kapitän Neuer. Müller ergänzte: "Die Abläufe gegen den Ball haben in der Kürze der Zeit gut funktioniert." Auch, weil Interimstrainer Flick in der zweiten Halbzeit umstellte.

Kingsley Coman und Serge Gnabry tauschen die Seiten

Kingsley Coman war trotz mehrere Läufe an die Grundlinie bis zur Halbzeit nicht zur Geltung gekommen. Nach dem Seitenwechsel tauschte der Franzose mit Gnabry die Seite, spielte rechts - und befreiter auf. Der offensiv eingestellte griechische Verteidiger Kostas Tsimikas verlor Coman ein ums andere Mal aus den Augen. Etwa als der 23-Jährige das zwischenzeitliche 1:0 durch Robert Lewandowski vorbereitete (69. Spielminute).

"Wir haben aus Chancen Tore erzielt, und da wollen wir weitermachen", sagte Alaba kurz und knapp zu den Offensivbemühungen. Diese ließen in puncto Zielstrebigkeit jedoch erneut zu wünschen übrig.

"Nach vorne hat der Glanz gefehlt", sagte Müller, der selbst keinen versprühte, aber immerhin viel arbeitete. "Trotz der Ballgewinne haben wir hinterher die falschen Entscheidungen getroffen." Und so war der Sieg gegen Olympiakos zwar ein Schritt nach vorne. Aber bei weitem noch kein Befreiungsschlag.

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