Durch die Ausweitung des Turniers auf 16 Teilnehmer und insgesamt 31 Spiele dachte die UEFA Mitte der 90er Jahre erstmals darüber nach, die EM an zwei Bewerber zu vergeben. Im Juli 1995 machten dann tatsächlich die Niederlande und Belgien das Rennen vor Spanien und Österreich/Schweiz. Insgesamt meldeten 51 Länder für die Qualifikation zum Endturnier. Deutschland erwischte mit der Türkei, Finnland, Moldawien und Nordirland eine machbare Gruppe.
Allerdings haftete dem DFB-Team vor dem Start immer noch das blamable Viertelfinal-Aus bei der WM gegen Kroatien und ein unheimliches Image-Problem an. Bundestrainer Berti Vogts musste gehen, die Suche nach einem Nachfolger wurde zu einer einzigen Farce. Zahllose Namen kursierten in der Presse. Paul Breitner, eigentlich im Ruhestand, war sogar für 22 Stunden Bundestrainer. Nach dem Rückzieher der DFB-Gremien entschied sich der Verband dann für Erich Ribbeck und Uli Stielike als neues Trainerduo.
Der Einstand der beiden Neuen im ersten Spiel in der Türkei ging dann gleich mal gründlich in die Hose. Die Türken siegten nach einem Torwartfehler von
Die Türkei musste in die Playoff-Spiele der acht schlechtesten Gruppenzweiten. Für die Österreicher gab es nach dem Trauma von Färöer einige Jahre zuvor eine historische Packung: In Spanien ging die ÖFB-Auswahl 0:9 ein.
Das vorentscheidende Spiel um Platz in der Gruppe 6 verloren die Ösis dann 0:5 in Israel. England schummelte sich irgendwie in die Playoffs und behielt dort im Bruderkampf gegen die Schotten knapp die Oberhand (2:0 und 0:1). Somit waren alle Favoriten beim Endturnier im Sommer 2000 mit dabei. Deutschland wurde in Gruppe A zu Rumänien, England und Portugal gewählt. Die Erwartungshaltung bei den deutschen Fans hielt sich allerdings in Grenzen. Die Mannschaft war zerstritten, es gab mehrere Grüppchen.
Eine davon machte gegen Bundestrainer Ribbeck mobil, der kurz vor der EM den alternden
So kam es schon im zweiten Gruppenspiel zu einer Vorentscheidung über das Wohl und Wehe der deutschen Elf. Der Gegner hieß England und die Stunden vor dem Spiel in Charleroi gingen als die hässlichsten in die Geschichtsbücher der EM 2000 ein. Deutsche und englische Hooligans lieferten sich heftige Straßenschlachten mit der Polizei. Das Spiel gewannen die Engländer durch ein Tor von Alan Shearer. Deutschland stand vor dem Aus.
Nur ein Sieg gegen Portugal und eine gleichzeitige Niederlage der Engländer gegen Rumänien konnte die DFB-Elf noch retten. Der Abend von Rotterdam wurde dann aber zu einem einzigen Debakel. Gegen eine bessere B-Elf der Portugiesen verlor durch drei Treffer von Sergio Conceicao Deutschland 0:3 und war draußen! „Ihr seid eine Schande und die Fußball-Deppen der Nation“, schrieb die „Bild“. Ribbeck und Stielike mussten wieder abdanken. Christoph Daum sollte eigentlich Nachfolger werden, hatte aber ein dezentes Drogenproblem, weshalb Rudi Völler die Leitung der Nationalelf übernahm.
Wenigstens war Deutschland in seiner Trauer nicht allein. England stand bis zur 88. Minute mit beiden Beinen im Viertelfinale. Dann erzielte Viorel Ganea per Elfmeter das 3:2 für Rumänien und England musste ebenfalls die Heimreise antreten. In Gruppe B setzten sich Italien und die Türkei durch. Gastgeber Belgien enttäuschte und konnte lediglich beim Auftaktsieg gegen Schweden Punkte sammeln. In Gruppe C überschlugen sich die Ereignisse. Slowenien führte gegen Jugoslawien zum Auftakt schon 3:0 – am Ende hieß es nach drei Toren in sechs Minuten 3:0. Der letzte Spieltag musste auch hier entscheiden. Favorit Spanien lag gegen Jugoslawien 2:3 zurück, benötigte aber einen Sieg, um Norwegen noch abzufangen. Mendietas Elfmeter kurz vor Schluss und Alfonsos Tor in der 92. Minute brachten die Iberer doch noch ins die Runde der letzten Acht.
Weniger spannend war die Gruppe D, wo sich Gastgeber Niederlande und Weltmeister Frankreich vor Tschechien durchsetzten. Dabei waren die Tschechen mit 30 Punkten aus zehn Quali-Spielen als beste Mannschaft zum Turnier angereist. Portugal setzte sich im Viertelfinale souverän gegen die Türkei durch, Italien hatte gegen Rumänien ebenfalls keine Mühe (2:0). Die Niederlande zerpflückten Jugoslawien beim 6:1 förmlich, Patrick Kluivert erzielte drei Treffer für Oranje. Dramatisch wurde es wieder bei den Spaniern: Gegen Frankreich lag die Seleccion kurz vor Schluss 1:2 hinten. Dann Elfmeter für Spanien. Der eigentliche Schütze Mendieta saß aber schon ausgewechselt auf der Bank. Raul übernahm die Verantwortung und knallte den Ball zwei Meter über das Tor.
Elfmeter bestimmten auch das Halbfinale zwischen Holland und Italien. Schiedsrichter Dr. Markus Merk schickte schon nach einer halben Stunde Gianluca Zambrotta mit Gelb-Rot vom Platz. Kurz darauf hielt Francesco Toldo einen Elfmeter von Frank de Boer. Mitte der zweiten Halbzeit wiederum Strafstoß für die Niederlande: Kluivert nagelte an den Pfosten.
Die Gastgeber wurden immer nervöser, Italien mogelte sich nach 120 Minuten ins Elfmeterschießen. Wieder de Boer, Jaap Stam und Paul Bosvelt scheiterten und Italien stand im Finale! Auch im anderen Semifinale ging es hoch her. Nuno Gomez traf für die Portugiesen, Thierry Henry für den Weltmeister. In der Nachspielzeit der Verlängerung bekam Abel Xavier den Ball an die Hand und Schiri Benkö aus Österreich zeigte auf den Punkt. Nach beinahe endloser hitziger Diskussion schritt Zinedine Zidane zur Tat und schoss Frankreich per Golden Goal ins Finale. Nach dem Spiel kam es noch zum Eklat, als mehrere portugiesische Spieler den Unparteiischen beschimpften und bespuckten und sich dafür empfindliche Sperren der UEFA einhandelten
Das Finale von Rotterdam wurde zum Spiel der Systeme. Italiens Defensivkünstler gegen den Offensiv-Fußball der Franzosen. Marco Delvecchio besorgte kurz nach der Pause das 1:0 für die Squadra. Frankreich rannte bis zur vierten Minute der Nachspielzeit vergeblich an. Dann erst gelang dem eingewechselten Sylvain Wiltord mit der letzten Aktion des Spiels der glückliche Ausgleich. In der 103. Minute der Verlängerung drang Henry von links in den Strafraum ein, legte geschickt zurück und der ebenfalls eingewechselte David Trezeguet hämmerte den Ball volley aus elf Metern unter die Latte. Frankreich war Europameister - und dabei der erste Weltmeister, der zwei Jahre später auch die kontinentalen Titelkämpfe gewinnen konnte.
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