Haben CSU-Chef Markus Söder und der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz mit rechten Parolen nach Stimmen gefischt? Diese Frage entzweite die Runde bei Anne Will am Tag der Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Zudem ließ Cem Özdemir mit einem Satz zu Jubelszenen aus Berlin-Neukölln im Zuge des Angriffs auf Israel aufhorchen.

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Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema

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Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben die Ampelparteien eine deutliche Niederlage eingesteckt, während die Union weiter die Ministerpräsidenten stellen wird. Anne Will diskutierte mit ihren Gästen am Sonntagabend über das Ergebnis der Abstimmungen und insbesondere das starke Abschneiden der AfD. Die Rechtspopulisten waren in Hessen mit 18,5 Prozent zweitstärkste Kraft und holten auch in Bayern knapp 15 Prozent. Weiteres Thema waren die Terrorangriffe der Hamas auf Israel.

Das waren die Gäste

Saskia Esken: Die SPD-Parteivorsitzende übte scharfe Kritik an der AfD, die sich mit einer "einfachen Antwort auf komplexe Problemlagen" hervortut: "Die Migranten sind Schuld." Esken bestand darauf, dass die AfD eine undemokratische Partei genannt wird und kritisierte besonders die Union für aus ihrer Sicht teils rechtspopulistische Stimmungsmache im Wahlkampf, etwa die Zahnarzt-Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz. "Anleihen bei der AfD zahlen nur bei der AfD ein", sagte Esken.

Karin Prien (CDU): Die stellv. Bundesvorsitzende und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein war von der wiederholten Kritik an Merz genervt. "Diese Frage stellt sich für uns gar nicht", sagte sie dazu, ob Merz der richtige Vorsitzende für die CDU ist. Sie forderte, die Sorgen der Menschen in der Migrationspolitik ernster zu nehmen. "Wir müssen den Leuten sagen: Wir hören euch, wir hören euch zu. Das heißt nicht, dass man den Rattenfängern auf den Leim geht und mit den ganz einfachen Lösungen kommt." Prien sprach sich außerdem dafür aus, Hilfszahlungen der Bundesregierung für die palästinensische Autonomiebehörde einzufrieren "Weil wir wissen müssen, ob damit Terror gefördert wird."

Robin Alexander: Der stellvertretende Chefredakteur von "Welt" und "Welt am Sonntag" forderte die Politik auf, Lösungen für das Migrationsproblem anzubieten und nicht den Ton gegenüber der AfD "noch höher zu drehen". Auch Alexander verstand nicht, warum derzeit so viel über Fehler von Friedrich Merz gesprochen wird. "Was genau hat Friedrich Merz angestellt, dass wir wieder über ihn reden?" Wenn heute Bundestagswahl wäre, würde Merz bei den aktuellen Umfragewerten schließlich Bundeskanzler werden, so Alexander.

Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen): Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft gab sich angesichts der miesen Landtagswahlergebnisse der Ampel-Partien demütig. Dass in der öffentlichen Wahrnehmung der Streit dominiere, das liege an "keinem anderen als an uns", so Özdemir. Scharfe Kritik übte er am bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder für sein Grünen-Bashing im Wahlkampf und warf ihm mangelnde Demut vor. Aber auch die hässlichen Bilder aus Berlin-Neukölln, wo Islamisten den Angriff auf Israel bejubelten, verurteilte der frühere Grünen-Vorsitzende und forderte die "Samthandschuhe gegenüber den Islamverbänden" abzulegen. Wäre dieser Satz von einem CDU-Mann gekommen, stellte Alexander fest: "Da wäre aber was los gewesen!"

Saskia Esken (SPD) und Robin Alexander (stellv. Chefredakteur "Welt" und "Welt am Sonntag") streiten bei Anne Will über den Wahlkampf der Union. © NDR/Wolfgang Borrs

Nicole Deitelhoff: Die Politikwissenschaftlerin bescheinigte dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), dass sein Kalkül, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger nach der Flugblatt-Affäre nicht zu entlassen und keinen Märtyrer aus ihm zu machen, "aufgegangen" ist. Die Freien Wähler haben weniger stark profitiert als angenommen und die CSU hat im Vergleich zur letzten Landtagswahl kaum an Stimmen verloren. In Bezug auf Israel sprach Deitelhoff von einer "massiven Krise" und einer "brandgefährlichen Situation", weil noch offen sei, ob weitere Länder in den Krieg hineingezogen werden.

Das war der Moment des Abends

Robin Alexander wies auf die Verschiebungen in der deutschen Migrationspolitik hin. Er war offenbar selbst überrascht, dass sich SPD und Grüne derart bewegen. Etwa bei den Forderungen nach den geplanten Asylzentren in der Nähe der EU-Außengrenzen. "Als Herr Seehofer das mal vorgeschlagen hat, haben die SPD und Grünen Zeter und Mordio gerufen", sagte Alexander. "Jetzt ist das bei SPD und Grünen Konzept."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe gegenüber Außenministerin Annalena Baerbock ein Machtwort gesprochen, damit Deutschland der neuen Asyl-Krisenverordnung der EU zustimmt "Die Ampel bewegt sich ja, aber erkennbar wollen die Leute noch mehr", sagte Alexander über die guten Wahlergebnisse in Hessen und Bayern für die AfD und die Abstrafung der Ampel-Parteien in beiden Ländern.

Das war das Rededuell des Abends

Es war diese Analyse der Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff, die bei Anne Will polarisierte: "Ein eher rechtspopulistischer Wahlkampf der CSU führt zum Erstarken der AfD", sagte sie. CDU-Frau Prien regte das furchtbar auf: Wo habe Söder denn einen rechtspopulistischen Wahlkampf geführt? "Der hat sich ganz klar abgegrenzt von der AfD."

Auch Robin Alexander schaltete sich ein und kritisierte, dass Unionspolitiker generell schnell mal als rechts bezeichnet werden. Dabei habe Markus Söder nach der Aiwanger-Affäre die jüdische Gemeinde in München angerufen und sich vergewissert, ob die Aiwanger-Entscheidung für sie okay gewesen sei. Die Antwort: ja. Und weiter ging es: "Friedrich Merz kann doch machen, was er will, im Bundestagswahlkampf wird Friedrich Merz als Rechtsaußen gezeichnet. Die Kampagnen laufen doch schon. Die CDU könnte auch Mutter Theresa aufstellen und sie würde als Rechtsaußen (bezeichnet)", so Alexander. "Und das ist ein Unglück, weil es nämlich echte Rechtsaußen gibt. Man sollte sich ampelseitig besinnen und differenzieren."

Später kam Alexander noch einmal darauf zurück: "Vorschläge aus der politischen Mitte, auch der rechten Mitte, die zur Mitte dazugehört, immer nach rechts rauszurücken, hilft keinem."

So hat sich Anne Will geschlagen

In einer unterhaltsamen Sendung mit vielen starken Rededuellen und sendungsbewussten Gästen musste die Gastgeberin meist nur die Stichworte vorgeben. Der Rest erledigte sich fast von alleine – auch weil der Umgang in der Sache sehr hart geführt wurde, aber stets fair blieb. Gut war Wills Hinweis, dass die deutsche Migrationspolitik letztlich stark von Entscheidungen in der EU abhängig ist. Was natürlich auch bedeutete: Die Diskussionen, die in Deutschland geführt werden, haben am Ende keine großen Folgen auf die Realpolitik: Entscheidend ist Brüssel.

Das ist das Fazit

Mit versöhnlichen Tönen gingen die anwesenden Politiker Esken, Prien und Özdemir nach 60 Minuten auseinander. In den Ländern habe die CDU gute Erfahrungen mit allen demokratischen Parteien, also auch den Grünen gemacht, sagte Karin Prien, die Söders Polarisierung gegenüber der Öko-Partei in Bayern auch nicht richtig nachvollziehen konnte. Sie forderte, wie Cem Özdemir, dass "wir aufhören, den anderen zu diskreditieren". Da stimmte natürlich auch SPD-Chefin Esken zu.

Das Zusammenstehen der Partien habe ja auch mit einer gemeinsamen Erklärung für Israel gut funktioniert, so Prien. Nächster Punkt wäre eine regierungsübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen des sogenannten Deutschlandpakts von Olaf Scholz – wobei Prien da noch keine konkreten Fortschritte erkannt hat.

Özdemir wünschte sich schließlich ein klares Bekenntnis, "dass die liberalen Demokratien keine Softies sind. Weder nach außen, noch nach innen". Also weder gegenüber der AfD, noch gegenüber autokratischen Regimen.

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