Nach der Hamburger Wahl blickt nun alles auf den Verlierer Marcus Weinberg: Die querelengeplagte CDU will nun entscheiden, wie es weitergeht. Die Liste ihrer Probleme ist lang, nicht nur im Bund, nicht nur in Hamburg. Ein Überblick.

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Nach dem CDU-Debakel bei der Hamburger Bürgerschaftswahl drängen führende Christdemokraten auf eine schnelle Klärung des Kurses und einen Fahrplan für die Kanzlerkandidatur.

"Das Ergebnis muss uns alle ein Stück wachrütteln, dass es gerade um viel geht", sagte einer der potenziellen Anwärter, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der Deutschen Presse-Agentur. Er zählte auf: "Das ist Hamburg, das ist Thüringen, das sind die Umfragewerte, das ist die Lage der Bundespartei."

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther rät zur Eile

So rät Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) seiner Partei zu schnellen Neuwahlen in Thüringen und einem Bundesparteitag noch weit vor der Sommerpause. In Hamburg könne jeder sehen, welche Vertrauensverluste eine "irrlichternde CDU" erleide, sagte Günther am Montag im SWR-"Tagesgespräch".

Insbesondere die Führungsfrage auf Bundesebene müsse schnell geklärt werden, forderte Günther. Das sei auch die Stimmung in der Partei. Es gehe nicht darum, möglichst viele Kandidaten kennenzulernen. Er fordere auch niemanden dazu auf, seine Kandidatur zu erklären. Günther betonte, er halte es eher für "sympathisch, wenn sich die möglichen Kandidaten untereinander verständigen würden." Es brauche auch kein Team an der Spitze, sondern jemanden, der führt, sich dann "aber auf ein Team an seiner Seite verlassen" kann.

In der Frage, wer Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nachfolgt, plädierte Günther auch im Interview bei Bayern 2 für eine schnelle Entscheidung. Ähnlich äußerte sich sein Saar-Kollege Tobias Hans.

CDU-Bundesvorsitzende Breher: Bundes-CDU trägt Mitschuld an Hamburg-Ergebnis

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Silvia Breher sieht im schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der Hamburger Bürgerschaftswahl eine Mitschuld der Bundesspitze. Ein Anteil der Bundespartei sei "definitiv vorhanden", sagte sie am Montag im Deutschlandfunk.

Die Hamburger CDU-Wahlkämpfer und spitzenkandidate Marcus Weinberg hätten es "unfassbar schwer" gehabt "im Hinblick auf Thüringen und im Hinblick auf die Situation in Berlin". Breher sagte, es handle sich um "ein absolut bitteres Ergebnis - da gibt es auch absolut nichts schönzureden."

Zur Lage der Partei insgesamt sagte Breher, es sei klar, "dass wir uns jetzt neu aufstellen müssen". Es gehe dabei nicht nur um Namen und Personen, sagte sie mit Blick auf die Suche nach einem neuen Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten. "Es geht am Ende auch darum: Wofür steht die CDU?". Nach den Vorgängen in Thüringen sei es "völlig klar, dass die Menschen sagen: Wo steht Ihr denn?".

Wahl in Hamburg wird zum Debakel für CDU - Vorstand will über Konsequenzen beraten

Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg war die dort ohnehin schwache CDU noch weiter gesunken - auf ihr bundesweit schlechtestes Landtagswahlergebnis seit knapp 70 Jahren. An diesem Montag will die CDU-Spitze zunächst im Präsidium und später im Vorstand über die Konsequenzen beraten.

Vor allem die frage der künftigen Parteiführung ist noch offen. Aus Parteikreisen sickerte durch, dass die Frage auf die Nachfolge der bisherigen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf einem Sonderparteitag Ende April oder Anfang Mai geklärt werden könnte.

Unklar war aber weiterhin, ob sich weitere Kandidaten für den Parteivorsitz aus der Deckung wagen. Als aussichtsreiche Kandidaten gelten etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn, die beide Mitglieder des Präsidiums sind. Beide haben sich noch nicht offiziell zu ihren Ambitionen erklärt. Das gilt auch für Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der wie der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen nicht den Führungsgremien angehört. Röttgen hat bislang als einziger seine Kandidatur erklärt.

Die CDU habe vor allem nach der Regierungskrise in Thüringen "ein aktuelles Bild der Führungslosigkeit" abgegeben, beklagte Saar-Ministerpräsident Hans in der ARD. Es sei der Eindruck entstanden, dass der CDU der Kompass fehle. Es sei deshalb an der Zeit, "hier und jetzt auch schnelle Entscheidungen zu treffen, in Thüringen, aber auch im Bund Klarheit zu schaffen".

Die aktuellen Probleme der CDU im Überblick

Führungsfrage: Es ist bisher ungeklärt, wie und wann die CDU die Nachfolge Kramp-Karrenbauers auf dem Parteivorsitz klären will - und ob damit auch die Klärung der Kanzlerkandidatur verbunden sein soll. CSU-Chef Markus Söder will beide Fragen zunächst getrennt halten: Er drängt die Schwesterpartei zu einer schnellen Kür ihres neuen Chefs, will die K-Frage aber erst zum Jahresende hin klären, damit der Kandidat nicht schon lange vor dem Wahltermin 2021 verschlissen wird - und die CSU über den Kandidaten mitentscheiden kann.

Thüringen: Dort steht die CDU unter Druck, weil sie zusammen mit der AfD den Drei-Tage-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich gewählt hatte. Der linke Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow will an der Spitze von Rot-Rot-Grün erneut antreten, braucht aber mangels Mehrheit Unterstützung. Die CDU hat nun eine "Stabilitätsvereinbarung" geschlossen, nach der sie einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung bis zu einer Neuwahl am 25. April 2021 projektbezogen zu Mehrheiten verhelfen will. Darüber wird an diesem Montag weiter beraten.

Das Vorhaben steht aber im Widerspruch zum CDU-Parteitagsbeschluss von 2018, demzufolge Koalitionen oder ähnliche Kooperationen mit AfD wie Linker abgelehnt werden. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bestand am Sonntagabend darauf: "Keine Zusammenarbeit mit Linken und AfD."

Die Bundes-CDU hat am Montag führende CDU-Politiker aus Thüringen zur Aussprache einbestellt. Neben dem thüringischen CDU-Chef Mike Mohring, der dem Parteipräsidium angehört, kamen am Montag auch der stellvertretende thüringische Landesvorsitzende Mario Voigt und Generalsekretär Raymond Walk zu den Sitzungen des Spitzengremien. Voigt und Walk wurden nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur extra zu den Beratungen vorgeladen, um mit ihnen das weitere Vorgehen in Thüringen zu besprechen.

Wahlschwäche: Das Ergebnis von Hamburg zeigt nicht nur, dass die CDU ein Problem in Großstädten hat. Sie hat auch eines mit den jüngeren Wählern. Die Grünen waren dort mit 31 Prozent bei den unter 60-Jährigen rund dreimal so stark wie die CDU mit 10 Prozent. Bei den unter 30-Jährigen kommt die CDU auf lediglich 7 Prozent, bei den ab 60-Jährigen noch auf 15 Prozent. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, verlangte unter Verweis auf das Wahlergebnis: "Es ist jetzt wichtig, dass die Verantwortlichen erkennbar machen, dass sie die Botschaften verstanden haben."

SPD mit breiter Brust nach Hamburg-Sieg

SPD und Grüne hatten einen klaren Wahlsieg eingefahren und können damit die letzte rot-grüne Koalition in Bund und Ländern fortsetzen und demonstriert nach dem rot-grünen Wahlsieg in Hamburg Geschlossenheit.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte am Montag vor einer Sitzung des SPD-Präsidiums in Berlin, er wolle den erfolgreichen Kurs der vergangenen Jahre "mindestens fünf Jahre, lieber Jahrzehnte" fortführen. Tschentscher betonte, von der gesamten SPD habe es in den vergangenen Wochen und Monaten Unterstützung gegeben. "Die SPD ist 'ne richtig starke Truppe." Die Hamburger SPD hatte im Wahlkampf auf Auftritte der Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verzichtet.

Tschentscher bekräftigte, die Fortsetzung von Rot-Grün an der Elbe sei eine "sehr naheliegende Option", die SPD wolle aber auch der CDU ein Gespräch anbieten. Darin solle es darum gehen, wie sich die CDU ein rechnerisch mögliches Bündnis vorstelle. Für die SPD gehe es inhaltlich vor allem darum, das große Thema Klimaschutz mit Wirtschaft und sozialem Ausgleich zu verbinden.

Knapper Einzug bei AfD - FDP muss noch bangen

Überraschend verblieb die zuletzt in allen Bundesländern erfolgreiche AfD nur knapp in der Bürgerschaft. Noch knapper ist es für die FDP - ob sie wirklich im Parlament bleiben kann, entscheidet erst das vorläufige Endergebnis am Montagabend.

Die FDP könnte nach Bekanntwerden eines Auszählungsfehlers bei der Wahl in Hamburg den Wiedereinzug in die Bürgerschaft verpassen. Durch eine Verwechslung im Bezirk Langenhorn wurden dort versehentlich die 22,4 Prozent der Grünen den Liberalen zugeteilt, wie der zuständige Bezirkswahlleiter Tom Oelrichs der Deutschen Presse-Agentur sagte. Die FDP lag am Sonntagabend zunächst hamburgweit nur wenige Stimmen über der Fünf-Prozent-Hürde.

Bei den Freidemokraten dürften die Spitzengremien am Montag daher auch über die Frage diskutieren, wie es weitergeht. Parteichef Christian Lindner hatte am Wahlabend auf die Frage nach persönliche Konsequenzen in der ARD gesagt: "Die Frage stellt sich nicht." (mgb/dpa/afp)

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