Am Donnerstag erwartete die Medienvertreter im Stadion An der Alten Försterei ein ungewohntes Bild. Normalerweise sollte sich Cheftrainer Bo Svensson den Fragen vor dem anstehenden Auswärtsspiel des 1. FC Union Berlin bei RB Leipzig (Sonnabend, 15.30 Uhr) stellen.

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Weil der Däne allerdings in der Nacht zuvor von einem grippalen Infekt flachgelegt wurde, musste Assistent Babak Keyhanfar einspringen. Der 39-Jährige muss Svensson möglicherweise auch am Spieltag vertreten.Eine gänzlich ungewohnte Situation wäre das für Keyhanfar nicht. Vor zweieinhalb Jahren war Bo Svensson der erste Trainer der Bundesliga-Historie, der aufgrund von vier Gelben Karten eine Sperre absitzen musste. Mit dem 1. FSV Mainz 05, dem damaligen Arbeitgeber des Duos, setzte es eine 1:2-Niederlage beim Tabellenletzten Greuther Fürth. Ein schlechtes Omen soll das aber nicht sein. "Wir sind auf jeden Fall nicht in der Favoritenrolle", schmunzelte Keyhanfar hinsichtlich der sportlichen Ausgangssituation, die die Köpenicker als klaren Außenseiter ausweist.

Leipzig hat nämlich nicht nur mit zwei Siegen in der Bundesliga – darunter ein spektakulärer 3:2-Erfolg nach 0:2-Rückstand in Leverkusen – einen traumhaften Start in die laufende Spielzeit hingelegt. Im DFB-Pokal feierte die Mannschaft einen souveränen 4:1-Sieg bei Drittligist Rot-Weiss Essen, und überhaupt ist das Team von Trainer Marco Rose saisonübergreifend seit 15 Pflichtspielen unbesiegt. Die letzte Niederlage kassierten die Sachsen im Februar beim FC Bayern (1:2).

Während Union sich noch Hoffnungen machen darf, dass Svensson bis zum Spieltag rechtzeitig fit wird, fehlt Rose den Leipzigern auf jeden Fall. Beim Spiel in Leverkusen leistete er sich noch in der ersten Halbzeit eine verbale Entgleisung und wurde mit der Gelb-Roten Karte vorzeitig auf die Tribüne geschickt. Am Sonnabend wird er von Assistent Alexander Zickler vertreten. "Für ein Spiel ist das allerdings nicht entscheidend und auch die Vorbereitung auf eine Partie ändert sich nicht wesentlich", erklärte Keyhanfar.

In der zurückliegenden Länderspielpause haben die Köpenicker weiter am Pressing-Verhalten gearbeitet und auch mit Blick auf die Restverteidigung einen Schritt nach vorne gemacht. Das Testspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen Zweitligist Eintracht Braunschweig (2:2) war aber nur bedingt aussagekräftig, weil zahlreiche Spieler mit ihren Nationalmannschaften unterwegs waren. Einer davon, Tom Rothe, erzielte beim Sieg der deutschen U20 in Italien nicht nur ein Tor, sondern führte das Team auch als Kapitän aufs Feld. In Berlin hat er derweil nach dem Abgang von Robin Gosens neue Konkurrenz bekommen.

Der zuletzt vereinslose Robert Skov wurde nach dem Deadline Day verpflichtet. "Er kann aber nicht nur auf der linken Schiene, sondern auch rechts oder eine Position weiter vorne spielen", umschrieb Keyhanfar die Flexibilität des 28-Jährigen, der in der Bundesliga schon 114 Spiele für die TSG Hoffenheim absolviert hat. Trotz seiner längeren Zeit ohne Mannschaftstraining sei der Däne laut Keyhanfar "topfit" in Berlin angekommen, braucht allerdings noch ein paar Wochen, um sich an alle Abläufe zu gewöhnen. Für die Startformation in Leipzig soll Skov keine Option sein.

Auch Andrej Ilic wird es in Leipzig nicht in die erste Elf schaffen. Die Verpflichtung des Stürmers war am letzten Tag der Transferperiode im Wirbel um den spontanen Gosens-Abgang fast ein wenig untergegangen. Ausgeliehen vom OSC Lille soll der Serbe das Offensivspiel der Berliner beleben und für Tore sorgen. Weil er mit einem Wadenbeinbruch in Frankreich zu Beginn des Jahres monatelang ausgefallen war, sind von ihm fürs Erste sicherlich keine Wunderdinge zu erwarten.

In der Red-Bull-Arena werden 4800 Union-Anhänger den Gästeblock füllen, zunächst aber alles andere als lautstark auf sich aufmerksam machen. Wie schon aus den vergangenen Jahren bekannt, schweigen die Unioner zu Beginn 15 Minuten aus Protest, wollen damit ihren Unmut über die zunehmende Kommerzialisierung im deutschen Profifußball zum Ausdruck bringen. "Natürlich freuen wir uns immer über lautstarke Unterstützung der Fans, respektieren aber, dass sie das traditionell so machen", zeigte Keyhanfar Verständnis.

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Auch ohne den anfänglichen Support gab Union in den zurückliegenden Jahren schließlich stets eine gute Figur beim Champions-League-Teilnehmer ab. Im Februar verlor Union zwar mit 0:2, davor gab es jedoch zwei 2:1-Siege – jeweils nach Rückstand. Unvergessen bleibt dabei sicherlich die sehenswerte Tor-Koproduktion von Sven Michel und Kevin Behrens, die im April 2022 von den Zuschauern der ARD-"Sportschau" zum Tor des Monats gewählt wurde.  © Berliner Zeitung

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