Deutschlandticket: Aus Sicht des hessischen Verkehrsministers Mansoori sollte das Deutschlandticket zum Dauerangebot werden. Damit stellt sich der Sozialdemokrat gegen Forderungen des Koalitionspartners CDU.

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Der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Kaweh Mansoori (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, das Deutschlandticket zu einem Dauerangebot zu machen. Damit stellt er sich gegen den Koalitionspartner seiner Partei in Wiesbaden, die CDU.

Ein Landesparteitag der Union hatte sich jüngst dafür ausgesprochen, das 49-Euro-Ticket auslaufen zu lassen. Die bis zu vier Milliarden Euro, die das Pauschalpreisangebot demnächst jährlich kosten werde, könnten sinnvoller in die Infrastruktur der Bahn investiert werden, befand eine Mehrheit der CDU-Delegierten. Mansoori hingegen sieht in einem bundesweiten Flatrateticket und dem offensichtlichen Nachholbedarf beim Ausbau der Bahninfrastruktur keinen Gegensatz. Beides könne und müsse finanziert werden, sagte er am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion im F.A.Z.-Tower in Frankfurt. "Das Deutschlandticket ist die größte Innovation bei Bus und Bahn seit Jahrzehnten."

Diskussion um Zukunft des Deutschlandtickets

Wenn man Pendler dazu bringen wolle, das Auto abzuschaffen, müsse man ihnen eine langfristig verlässliche Alternative bieten, sagte Mansoori bei der Veranstaltung mit dem Titel "Mobilitätswende ausgebremst?", die von der F.A.Z. gemeinsam mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und DB Regio ausgerichtet wurde. Auch der Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV), Knut Ringat, forderte langfristige Garantien für die Fortführung des flächendeckend gültigen Deutschlandtickets. Nötig sei "eine vernünftige Finanzierung für fünf, besser für zehn Jahre". Das böte den Verkehrsverbünden die Chance, ihre Tarifangebote weiter zu vereinfachen und den Ticketverkauf verstärkt zu automatisieren.

Jürgen Dieter, geschäftsführender Direktor des Hessischen Städtetages, warnte davor, das Deutschlandticket infrage zu stellen. Das wäre aus Sicht des Sozialdemokraten "ein unglaublicher Rückschritt" und zudem "psychologisch verhängnisvoll", weil damit das Signal gegeben würde, dass man sich auf Zusagen der Politik nicht verlassen könne. Ulrich Caspar, der Präsident der IHK Frankfurt, sprach sich allerdings für eine Verteuerung der derzeit für 49 Euro im Monat angebotenen Pauschalfahrkarte aus. Er glaube, dass die meisten Kunden das akzeptieren würden, wenn ihnen gleichzeitig das Gefühl vermittelt werde, dass sie ein dem Preis entsprechendes Angebot erhielten.

"Wir brauchen mehr Pünktlichkeit"

Nach den Worten von Verkehrsminister Mansoori stehen in Hessen in den Jahren 2023 und 2024 für das Deutschlandticket 470 Millionen Euro zur Verfügung, davon 245 Millionen Euro an originären Landesmitteln. Aus Sicht der CDU/SPD-Koalition im Landtag sei das Pauschalpreisticket ein wesentlicher Anreiz, um mehr Kunden für den öffentlichen Nahverkehr zu gewinnen. Darüber hinaus müssten sich die Menschen in Bussen und Bahnen aber auch sicher fühlen, die Verbindungen müssten attraktiv und verlässlich sein. "Wir brauchen mehr Pünktlichkeit."

Ziel der Landesregierung sei es, die hessischen Verkehrsverbünde finanziell so auszustatten, dass sie ihren Kernaufgaben weiter nachkommen könnten. Das sei angesichts knapper werdender öffentlicher Mittel allerdings ein "Kraftakt". Mansoori wies darauf hin, dass nicht nur die Infrastruktur der Bahn vielerorts sanierungsbedürftig sei. An der Autobahn 44 bei Kassel etwa müsse die Bergshäuser Brücke altersbedingt für den Verkehr gesperrt werden, ohne dass dafür bereits ein Ersatz zur Verfügung stehe. Das sei für die Region Nordhessen und die Autofahrer "eine einzige verkehrspolitische Katastrophe". Weil sich die Finanzsituation in Bund und Land absehbar deutlich verschlechtern werde, bleibe indes nur die Möglichkeit, bei der Sanierung der Verkehrsinfrastruktur Schwerpunkte zu setzen und wenigstens die dringlichsten Projekte in Angriff zu nehmen.

Mit Vorhaben wie dem Ausbau der Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Bad Vilbel, der nordmainischen S-Bahn und der Regionaltangente West in der Rhein-Main-Region, der Wallauer Spange zwischen Wiesbaden und dem Frankfurter Flughafen und der Reaktivierung der Horlofftalbahn in der Wetterau werde der Ausbau der Bahnverbindungen in den nächsten Jahren entscheidend vorangetrieben, hob der Minister hervor. In Hessen seien derzeit rund 600 Kilometer neue Gleise in Planung. Bezogen auf ein vorhandenes Netz von 2800 Kilometer Länge sei das eine enorme Zahl. Von Stillstand beim Ausbau der Infrastruktur und der Fortentwicklung des ÖPNV-Angebots könne jedenfalls keine Rede sein.

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Die zweite große Herausforderung des öffentlichen Nahverkehrs – nach den Unsicherheiten bei der Finanzierung – sei der Mangel an Fachkräften und an Arbeitskräften insgesamt, warnte Mansoori. In dieser Einschätzung wurde der Minister von Klaus Vornhusen, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, bestätigt. Das Problem Personalmangel sei bei der Bahn, wie in vielen anderen Branchen auch, nur allzu offensichtlich, aber "im Grunde genommen ungelöst". In Deutschland insgesamt würden in den nächsten Jahren jeweils 400.000 Arbeitskräfte fehlen, sagte Vornhusen. Ohne eine verstärkte qualifizierte Zuwanderung sei diese Lücke nicht zu füllen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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