F.A.Z. exklusiv: Im langjährigen Rechtsstreit um den geplanten Windpark auf dem Taunuskamm sorgt der hessische Umweltminister Ingmar Jung für Aufsehen.

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Mit der Aufhebung einer umstrittenen Weisung rückt der Grundwasserschutz wieder in den Fokus und könnte den Verlauf des Verfahrens entscheidend beeinflussen.

In das vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel anhängige Verfahren zu einem auf dem Taunuskamm geplanten Windpark könnte Bewegung kommen. Der hessische Landwirtschafts- und Umweltminister Ingmar Jung (CDU) hat eine Weisung aufgehoben, mit der seine Vorgängerin Priska Hinz (Die Grünen) dem Regierungspräsidium Darmstadt im Jahr 2021 untersagt hatte, den Aspekt des Grundwasserschutzes in dem Verfahren nicht mehr zu erwähnen.

Das Urteil, das in Wiesbaden und im Rheingau seit Jahren mit Spannung erwartet wird und sich jetzt wohl weiter verzögern dürfte, soll eine erbitterte Auseinandersetzung beenden, die seit einem Jahrzehnt andauert. Auslöser war der Antrag einer Tochter des Wiesbadener Versorgungsunternehmens ESWE auf den Bau von Windrädern auf der Hohen Wurzel, einem knapp 620 Meter hohen Berg im Rheingau-Taunus-Kreis.

Landesregierung votierte für eine Berufung

Das der Landesregierung unterstellte Regierungspräsidium Darmstadt lehnte das Vorhaben aus Gründen des Denkmal-, Arten- und Trinkwasserschutzes ab. Dagegen klagte das Unternehmen mit Erfolg. Dass das Verwaltungsgericht Wiesbaden die durch das Regierungspräsidium ins Feld geführten Hinderungsgründe nicht gelten ließ, erfreute Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Umweltministerin Priska Hinz (beide Die Grünen), weil der Ausbau der Windkraft ihr oberstes Ziel war.

Darum hätten sie die Prozessniederlage ihres Regierungspräsidiums aus parteipolitischen Gründen nur zu gern akzeptiert. Aber das Urteil enthielt auch eine für die beiden Minister bittere Botschaft: Es erklärte den Teil des Regionalplans, der die erneuerbaren Energien betrifft, für nichtig. Er aber sollte die Grundlage der grünen Energiewende sein. Nur aus diesem Grund votierte die Landesregierung für eine Berufung.

Dementsprechend sollte das Regierungspräsidium sich vor Gericht aber ausschließlich nur für den Teilplan einsetzen. So kam es zu der "Weisung zur Streichung der Ausführungen zum Grundwasserschutz in der Berufungsbegründung" vom 11. Juni 2021. Erteilt wurde sie von Hinz, die aber im ersten Satz die "Abstimmung" mit dem Wirtschaftsministerium erwähnt. Al-Wazir ließ außerdem die gegen die Genehmigung sprechenden Argumente des Denkmalschutzes streichen.

Fundierte Ablehnungsgründe unter den Tisch gefallen

Diese Vorgaben standen in einem eklatanten Widerspruch zu der inhaltlichen Position, die von den Anwälten des Landes vertreten wurde. Beispielsweise erklärt die Berliner Kanzlei Noerr in einem Entwurf vom 25. März 2021 auf 26 Seiten, dass neun der zehn geplanten Windräder wasserrechtliche Vorschriften entgegenstünden.

An dem Thema arbeiteten damals mehrere Mitarbeiter der Kanzlei allein im ersten Quartal 2021 rund 95 Stunden. Auch die 70 Stunden, die die Anwälte in die Bearbeitung des Denkmalschutzes investierten, waren umsonst. Für die drei Monate stellte die Kanzlei dem Land knapp 100.000 Euro in Rechnung.

Carsten Gödel, Vorsitzender des Vereins "Rettet den Taunuskamm", sprach von "skandalösen Vorgängen". Die fundierten Ablehnungsgründe des Regierungspräsidiums seien unter den Tisch gefallen, weil die Ministerien den Prozess verlieren wollten. Doch in diesem Fall drohten laut Gödel dem Land Schadenersatzforderungen in einer zweistelligen Millionenhöhe. Die Vertreter der ESWE hatten dem Gericht im Jahr 2020 erklärt, dass eine verzögerte Genehmigung wegen veränderter Markt- und Rahmenbedingungen das Unternehmen teuer zu stehen komme.

Regierungspräsidium prüft nun die Rechtslage

Über die Laufzeit von 20 Jahren entstehe ein "Verzögerungsschaden" von 34 Millionen Euro. Al-Wazir und Hinz argumentierten, dass sie den möglichen Schadenersatzansprüchen mit der Einlegung der Berufung entgegengetreten seien. Sie weisen ferner darauf hin, dass auch Taunusstein diesen Weg gegangen sei und entsprechende Argumente vortrage.

Gödel führte die "rechtliche Ersteinschätzung" des von ihm beauftragten renommierten Wirtschaftsstrafrechtlers Alfred Dierlamm ins Feld. Er stellte fest, "dass die Verantwortlichen der beteiligten Ministerien dem Risiko einer Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB ausgesetzt sind, wenn infolge der mangelhaften und unzureichenden Verfahrensführung das Berufungsverfahren verloren geht und hierdurch Haftungsansprüche in Millionenhöhe gegen das Land Hessen in Kauf genommen werden, die im Falle einer pflichtgemäßen, an Gesetz und Recht ausgerichteten Verfahrensführung hätten vermieden werden können".

Jung bestätigte der F.A.Z. den aktuellen Erlass aus seinem Haus: "Wir haben die Weisung, nachdem wir Kenntnis davon erhalten haben, geprüft und sehen keinen Grund, sie aufrechtzuerhalten." In dem Verfahren gehörten selbstverständlich alle Argumente auf den Tisch. "Dem Regierungspräsidium eine Argumentation zu verbieten, die möglicherweise für den eigenen Bescheid streitet, erscheint mir nicht sinnvoll", sagt der Minister.

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Die Zurücknahme der Weisung von Jungs Vorgängerin beschäftigt nun das Regierungspräsidium. Dessen Sprecher teilte mit, dass man den Sachverhalt "unter Berücksichtigung der aktuellen prozessualen und materiellen Rechtslage" prüfe.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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