Angst vor Handelsbeschränkungen: Die USA sind der wichtigste Partner von Unternehmen aus der Rhein-Main-Region. Wirtschaftsvertreter sorgen sich bei einem Trump-Sieg vor weiteren Handelshemmnissen.
Wenn in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in den USA der 47. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt wird, steht auch für Hessen viel auf dem Spiel. Schließlich ist die hessische Wirtschaft eng mit dem Land verknüpft. Für viele hessische Unternehmen hat der US-Markt eine herausragende Bedeutung, umgekehrt haben zahlreiche amerikanische Unternehmen in der Region einen Sitz, zum Teil handelt es sich dabei um die Deutschland- oder gar Europazentrale.
Insgesamt exportierten hessische Betriebe im vergangenen Jahr Waren im Wert von 9,9 Milliarden Euro in die USA, damit ist das Land mit einem Anteil von 12,1 Prozent an den gesamten hessischen Exporten der wichtigste Handelspartner, mit großem Abstand vor Frankreich (6,4 Milliarden Euro) sowie Großbritannien und Polen. Wichtigste Exportgüter waren pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von 3,3 Milliarden Euro, die USA weisen weltweit die höchsten Gesundheitsausgaben pro Kopf aus und sind deshalb für die gerade in Hessen starke Pharmabranche ein bedeutsamer Partner. Weitere bedeutsame Exportgüter sind Metalle (1,5 Milliarden Euro), chemische Erzeugnisse (1,2 Milliarden Euro) und Maschinen (1,1 Milliarden Euro).
Zuwachs an Exporten in die USA um 60 Prozent seit 2013
Beispielhaft für die Rolle der USA als Absatzmarkt stehen einige große Konzerne aus der Region. So erwirtschaftete etwa die Deutsche Bank im vergangenen Geschäftsjahr 4,9 Milliarden Euro in den USA, die mit einem Anteil von 17 Prozent an allen Erträgen der wichtigste Auslandsmarkt des Dax-Konzerns sind. Der börsennotierte Gabelstaplerhersteller Kion aus Frankfurt setzte in Nordamerika 2,3 Milliarden Euro um, das ist knapp ein Fünftel des Gesamtumsatzes, beim Pharmakonzern Merck aus Darmstadt betrug der Umsatz im Jahr 2023 rund 5,9 Milliarden Euro und damit sogar 29 Prozent aller Erträge. Insgesamt hat der Umfang hessischer Exporte in die USA in den vergangenen zehn Jahren erheblich zugenommen, der Zuwachs im Vergleich zu 2013 beträgt 60 Prozent. Damit entwickelten sich die Ausfuhren aus der Region in die USA dynamischer als der Durchschnitt, insgesamt stieg der Wert der hessischen Exporte im gleichen Zeitraum nur um 44 Prozent, wie Zahlen des Statistischen Landesamtes in Wiesbaden zeigen.
Umgekehrt importierten hessische Unternehmen im vergangenen Jahr Waren im Wert von fast 15 Milliarden Euro aus den USA – ein Anteil von 14,7 Prozent an den Gesamteinfuhren. Auch in dieser Statistik sind die USA der wichtigste Partner der Hessen, vor China mit einem Anteil von zehn Prozent sowie Frankreich mit acht und die Niederlande mit sechs Prozent. Dabei hängen Import und Export häufig eng zusammen, sprich: Häufig beziehen Betriebe, die in die USA exportieren, auch Importe von dort.
Wegen dieser engen Verknüpfung schauen Unternehmer, Politiker und Wirtschaftsvertreter aufmerksam auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl. "Die Unternehmen in Hessen wie auch in Deutschland blicken mit Sorge auf Donald Trumps Vorschläge, einen Zollgrundtarif von mindestens zehn Prozent auf Importe in die Vereinigten Staaten einzuführen", sagt Kirsten Schoder-Steinmüller, die als Präsidentin des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK) die Interessen der Unternehmen in dem Bundesland vertritt. Schoder-Steinmüller, die selbst einen mittelständischen Betrieb mit Sitz in Langen führt, prophezeit, eine solche Entwicklung würde nicht nur die amerikanischen Verbraucher schwer treffen, "sondern auch deutsche Exportgüter vor Ort verteuern und damit das Außengeschäft weiter trüben". Deutsche Betriebe müssten sich auf sinkende Nachfrage und geringere Margen einstellen, sofern sie nicht in den USA produzierten, fürchtet Schoder-Steinmüller. "Im Falle eines Wahlsieges von Kamala Harris ist hingegen nicht mit einer grundlegenden Veränderung der Handelspolitik zu rechnen."
Zölle müssten "unbedingt vermieden werden"
Auch Jürgen Ratzinger warnt vor den Folgen einer zunehmend protektionistischen Handelspolitik unter
Ein Beispiel für die vielseitigen Verflechtungen hessischer Unternehmen mit dem US-Markt ist die Messe Frankfurt. 1991 machte das Traditionsunternehmen mit der Gründung einer Tochtergesellschaft in Atlanta den ersten Schritt auf den amerikanischen Kontinent, inzwischen ist man der dort der größte deutsche Messeveranstalter. Die 48 Beschäftigten der US-Tochtergesellschaft planen allein im nächsten Jahr mit 20 Veranstaltungen in den USA.
Neben der Tätigkeit als Veranstalter in den USA ist es für die Messe Frankfurt wichtig, als Partner amerikanischer Betriebe den US-Export zu unterstützen – etwa bei Messen in Frankfurt. Schließlich zählen Vertreter amerikanischer Unternehmen auf den Eigenveranstaltungen des Unternehmens zu einer der wichtigsten Kundengruppen, 8100 Einkäufer aus den USA kamen allein im vergangenen Jahr auf Messen in Frankfurt. Auch für Fraport spielt Nordamerika eine wichtige Rolle: 14 Prozent des Verkehrsaufkommens des Flughafenbetreibers hängt mit den USA und Kanada zusammen.
Hessen bei US-Bürgern als Reiseziel beliebt
Dass vor allem das Rhein-Main-Gebiet für US-Unternehmen attraktiv ist, zeigt die Gründung von mehr als 400 Tochtergesellschaften amerikanischer Unternehmen in der Region seit 2019. Prominentestes Beispiel ist wohl die Entscheidung von US-Milliardär Elon Musk, den Deutschlandsitz seines Satelliten-Unternehmens Starlink in Frankfurt zu gründen. Zudem haben nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zahlreiche US-Banken ihre Präsenz am Finanzplatz ausgebaut.
Derzeit leben nach Angaben des Statistischen Landesamts rund 15.000 US-Bürger in Hessen, was einem Anteil an der Bevölkerung von 0,2 Prozent entspricht. Mit 3240 Männern und Frauen lebt die größte Gruppe von Amerikanern in Frankfurt. Von den 2,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hessen waren Ende März 5343 Staatsangehörige der USA, das entspricht ebenfalls einem Anteil von 0,2 Prozent.
Als Reiseziel erfreut sich Hessen in den USA einer wachsenden Beliebtheit. Im Jahr 2023 besuchten 506.413 US-Bürger das Bundesland, das waren 27 Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten von ihnen (414.734 Männer und Frauen) kamen nach Frankfurt. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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