Für die Artenvielfalt sind die neuen Zahlen aus Düsseldorf sicher eine gute Nachricht: Für 43000 Hektar haben die NRW-Landwirte im ablaufenden Jahr die Angebote des sogenannten Vertragsnaturschutzes genutzt, das ist eine neue Rekordsumme.

Mehr News aus Nordrhein-Westfalen finden Sie hier

Die Bauern mähten zum Beispiel später oder nur einmal, pflegten oder pflanzten Vogelschutzhecken, verzichteten auf Dünger oder schufen am Rande ihrer Ackerfelder Rückzugsräume für seltene Arten.

Oberbergs Landwirte wollen weitere 340 Hektar anmelden

Dafür erhielten sie 2024 aufs Land gesehen rund 34 Millionen Euro aus Landes- und EU-Töpfen, ebenfalls ein neuer Spitzenwert. Auch in Oberberg gibt es diese Entwicklung und sie hält weiter an: Hier haben bereits rund 250 Betriebe die extensive Bewirtschaftung von über 2000 Hektar Land vertraglich zugesichert, im kommenden Jahr möchten sich 70 oberbergische Landwirte mit weiteren 340 Hektar anschließen – und genau hier beginnt das Problem.

Denn nach dem kurz vor Weihnachten vom Landtag verabschiedeten Haushaltsplan 2025 wird dem Umweltministerium von Oliver Krischer (Grüne) aller Voraussicht nach gar nicht genug Geld zur Verfügung stehen, um Abkommen über alle beantragten Flächen zu unterzeichnen. In seiner jüngsten Sitzung hat der Oberbergische Kreistag deshalb eine Resolution verabschiedet, in der das Ministerium aufgefordert wird, "die angekündigten Einsparungen beim Vertragsnaturschutz zurückzunehmen und die beantragten Mittel vollständig zur Verfügung zu stellen."

Oberbergs Landwirte und Naturschützer sind sich einig

Formuliert hatten das Papier CDU, FDP/FWO/DU und UWG, in der Sitzung schlossen sich sich SPD und AfD an. Zuvor hatten die Kreisbauernschaft Oberberg, Kreislandwirt Bernd Schnippering und der Naturschutzbund Oberberg die Politik gemeinsam auf das Problem aufmerksam gemacht. Nach ihren Berechnungen könnte der Spardruck in Düsseldorf für bis zu 220 Hektar oberbergischen Grund die Ablehnung bedeuten – das wäre eine Absage an deutlich über 300 Fußballfelder.

CDU-Fraktionschef Michael Stefer warnte im Kreistag denn auch vor einer nach seiner Ansicht "völlig falschen Signalwirkung" einer solchen Entscheidung. Er betonte, dass die Popularität des Vertragsnaturschutzes in Oberberg seit Jahrzehnten landesweite Spitze und die enge Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz keinesfalls selbstverständlich sei.

Wir sind jahrzehntelang angehalten worden, neue Flächen zu melden. Jetzt sind die Flächen da und plötzlich ist alles ganz anders.

Reinhold Müller (FDP) über die Planungen der Landesregierung

Reinhold Müller (FDP) formulierte es noch deutlicher: "Wir sind jahrzehntelang angehalten worden, neue Flächen zu melden. Jetzt sind die Flächen da und plötzlich ist alles ganz anders." Für die SPD erklärte Fraktionsvorsitzender Sven Lichtmann, dass für Oberberg letztlich 84000 Euro fehlten – die müsse das Land doch möglich machen.

Einzig die Grünen stimmten gegen den Resolutionstext, die Gründe machte Seb Schäfer in der Kreistagsdebatte deutlich. Dabei verwies er auf das insgesamt hohe Antragsvolumen im Land. Gleichwohl würden alle Altverträge bewilligt. "Wer bislang dabei war, wird nicht im Regen stehen gelassen", so Schäfer. Und bei den neu beantragten Flächen sei es nun Linie des Ministeriums, solche mit höherem ökologischem Wert zu bevorzugen.

Schäfer wehrte sich zudem dagegen, die Landesregierung in der Sache zum einzigen Buhmann zu machen. Denn: Offenbar habe der neue Hype unter den Flächenbesitzern auch die Kreisverwaltung überrascht, die im gerade verabschiedeten Doppelhaushalt 50 zusätzliche Hektar Vertragsfläche pro Jahr als Ziel ausgibt – tatsächlich aber nun 340 gemeldet worden sind.

Übrigens: Fürs Erste hatte die Resolution keinen Erfolg. Wie ein Sprecher des Umweltministeriums nach der Haushaltsverabschiedung berichtete, gab es keine Etat-Erhöhung. Die sei auch nicht so einfach möglich, weil wiederum der Bund die Landesmittel beim Vertragsnaturschutz deckele, heißt es aus Düsseldorf. "Deshalb können beantragte neue, zusätzliche Maßnahmen erst einmal nur in Schutzgebieten und auf Ackerflächen zur Förderung gefährdeter Arten wie dem Kiebitz oder dem Rebhuhn gefördert werden." Laufende Verträge würden aber erfüllt.

Als "elementar wichtig" bezeichnet Franz Bellinghausen, Chef der Kreisbauernschaft Oberberg, den Vertragsnaturschutz für die Region – und zwar nicht nur für die wirtschaftliche Situation der Landwirte, sondern vor allem für die Kulturlandschaft. Dabei habe die hiesige Zusammenarbeit zwischen Bauernschaft und Naturschützern fast schon Seltenheitswert. "Woanders spricht man überhaupt nicht miteinander, hier haben wir praktisch eine Standleitung."

Als einen klassischen Fall für die Anmeldung neuer Flächen für den Vertragsnaturschutz nennt Bellinghausen den Wandel von einem Vollerwerbsbetrieb der Milchwirtschaft hin zum Nebenerwerb. Weil längst nicht mehr so viel Futter gebraucht wird, können sich die Nebenerwerber gut mit den Bedingungen des Vertragsnaturschutzes arrangieren, zum Beispiel seltener zu mähen. Aber auch Großbetriebe würden immer mal wieder einzelne Flächen aus der intensiven Bewirtschaftung nehmen, erklärt der Engelskirchener.

Vielen Dank für Ihr Interesse
Um Zugang zu allen exklusiven Artikeln des Kölner Stadt-Anzeigers zu erhalten, können Sie hier ein Abo abschließen.

Entscheidend sei, so Bellinghausen, dass der Vertragsnaturschutz gewährleiste, dass Flächen im Oberbergischen überhaupt noch irgendwie bewirtschaftet und gepflegt werden. Andersfalls würden nämlich Springkraut, Herkulesstaude, Unkraut und Verbuschung in Windeseile die Oberhand gewinnen – mit der Folge, dass die betreffende Weide als Nutzfläche sowohl für die hiesige Landwirtschaft, aber auch für den Naturschutz in Oberberg verloren sei.   © Kölner Stadt-Anzeiger

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.