Wenn Rolf Albach über die Krise der Chemieindustrie im Allgemeinen, aber auch in Leverkusen spricht, dann ist er quasi mittendrin.
Der FDP-Bundestagskandidat für Leverkusen und Mülheim ist Forscher bei Covestro und kommt jeden Tag von seiner Heimat Flittard rüber in sein Labor im Chempark. Die Redaktion trifft ihn an der Musikschule in Wiesdorf. Dort singen zwei seiner Kinder im Chor und zu seinem Arbeitgeber ist es auch nicht weit. Im Grunde in Sichtweite, wenn an diesem Mittwochnachmittag der Nebel nicht wäre.
Schnell kommt der 61-Jährige auf ein Wort, das er immer wieder verwendet. Es geht um "Verteilungskämpfe". Darum, dass die Wirtschaft nicht mehr das liefern kann, was die Gesellschaft wirklich braucht. Und darum, dass um das, was noch da ist, gekämpft werden muss. Das, so die Meinung des Freidemokraten, führe zu dem Wunsch nach einer autoritären Herrschaft, die alles regelt. Etwas, das Albach nicht will.
Wobei er einmal einen autoritären Herrscher kennengelernt habe, wie er erzählt. Damals war derjenige allerdings noch nicht der, der er jetzt ist, sondern ein junger, ungarischer Liberaler, den er auf einem Seminar der Friedrich-Naumann-Stiftung Anfang der 90er-Jahre getroffen habe: Viktor Orbán, inzwischen Ministerpräsident von Ungarn. Wo der Mann mehr als 30 Jahre später einmal stehen würde, war damals natürlich noch nicht zu ahnen. Albach sagt aber: "Gib jemandem genug Macht …"
Rolf Albach beklagt fehlendes Tempo
Albach macht sich wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen Sorgen um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Vor allem ein Punkt ist ihm wichtig: Schnelligkeit. Deutschland sei einfach zu langsam. Er berichtet von einem Unternehmen aus Köln, das ein Dreivierteljahr auf die Genehmigung für eine neue Maschine warten musste. "Das geht nicht!"
Der Schlüssel, um schneller zu werden, liegt für ihn wie für Politikerinnen und Politiker im Grunde aller Parteien darin, Bürokratie abzubauen. Auf jedes Blatt Papier, das ein Unternehmen ausfüllen müsse, müsse man bei der Bearbeitung intern das Doppelte an Aufwand dafür einrechnen. Nachweise, Daten, Belege – all das müsse in den Unternehmen jemand machen. Sein Vorschlag: Genehmigungsverfahren müssen schlanker werden, die Behörden sollen nur noch Daten anfordern, die sie sich automatisch digital holen können.
"Wir können uns das fehlende Tempo nicht leisten, auch umwelttechnisch nicht", sagt Albach, der in der Kölner FDP-Ratsfraktion umweltpolitischer Sprecher ist. Der Staat müsse Teil des Innovationsprozesses sein. Er müsse die Bedingungen dafür schaffen, dass zum Beispiel Unternehmen schnell Entscheidungen über Investitionen treffen könnten. Das dauere bei all den "Gesetzen, Prüfungen und Nachweisen ohne Ende" zu lange.
Fast jeder in Leverkusen weiß, was die Pensionskasse ist.
Eine weitere Idee des fünffachen Vaters: Die Grunderwerbssteuer für das erste eigene Wohneigentum soll entfallen. Albach ist außerdem ein Freund der Aktienrente. "Fast jeder in Leverkusen weiß, was die Pensionskasse ist", sagt er. Der Arbeitgeber zahlt mit in eine Kasse für die Altersvorsorge seines Arbeitnehmers ein. Das Prinzip sei, wenn auch mit anderen einzelnen Spielregeln, bei der Aktienrente ähnlich. Der Staat lege an und verbessere damit die Altersvorsorge seiner Bürger.
Wobei er damit wohl auch nicht "die Rente retten" könne. Es sei aber ein Schritt. Auch, um künftige Generationen zu entlasten. Denn schließlich müsse der gesamte Sozialstaat demnächst von wenigen, jetzt jungen Menschen getragen werden. Und den Frust junger Menschen, die in der Klimabewegung aktiv seien, könne er durchaus verstehen. Er glaubt allerdings, dass bei vermeintlich "grünen" Themen wie Wärmepumpen oder E-Autos die Marken fehlen, denen die Menschen vertrauen.
Daran, dass offenbar nicht genügend getan wird, um Tempo in die Wirtschaft zu bringen, hat aber auch seine Partei mitgewirkt, die gute drei Jahre als Teil der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP in Regierungsverantwortung war. Deren kurze Geschichte vergleicht Albach mit einer Ehe, die in einem Rosenkrieg endet.
Dabei habe er der Ampel zum Start durchaus positiv gegenüber gestanden. Letztlich habe man sich aber übers Geld in die Haare gekriegt. Vor allem, nachdem das Bundesverfassungsgericht geurteilt hatte, dass die Umwidmung von Geld, das für die Pandemiebekämpfung eingeplant war, in den Klima-Fonds nicht rechtens war. "Das Zerbrechen ließ sich dann nicht mehr vermeiden."
Wieso treffen wir uns an der Musikschule?
Albach: Der Ort zeigt ganz gut an einem, wo das Geld herkommt und wo es wieder ausgegeben wird: im Chempark und in der Musikschule. Aber wir sind auch hier, weil meine zwei jüngsten Kinder hier im Kinder- und Jugendchor singen.
Was gefällt Ihnen an Leverkusen?
Leverkusen ist eine selbstbewusste Stadt, die sich nicht von Köln eingemeinden lässt.
Was nervt Sie an Leverkusen?
Wie man damit umgeht, dass man jetzt nicht mehr reich ist. Man steckt in einer Haushaltskrise. Ich finde, die Gewerbesteuer muss wieder hoch.
Was kann weg?
Die Stelze. Die ist ein Desaster.
Was braucht Leverkusen in den nächsten vier Jahren?
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Vor allem Neuansiedlung von Unternehmen. Das Probierwerk ist klasse, aber viel zu klein. Um neue Firmen nach Leverkusen zu holen, muss man das dann auch mit den Platzhirschen ausdiskutieren.
Was ist Ihr Schwerpunktthema?
Ich will die kommenden Generationen nicht überlassen und vor Verteilungskämpfen bewahren. Dafür muss die Wirtschaft wachsen. © Kölner Stadt-Anzeiger
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