Frau Reker, bei der Prinzenproklamation sagten Sie, Ihr Amt sei das schönste nach dem Papst, aber das Allerschönste sei: Es ist nicht lebenslänglich. Treten Sie im September für eine dritte Amtszeit als Oberbürgermeisterin an?
Henriette Reker: Diese zweite Amtszeit wird meine letzte Amtszeit sein.
Die Entscheidung ist gefallen.
Ich habe gesagt, ich schaue mir an, wie die Kandidatensuche der großen Parteien läuft. Die scheint ja jetzt abgeschlossen zu sein und es sind respektable Persönlichkeiten dabei. Das ermöglicht mir, meine Lebensplanung umzusetzen.
Wie sieht diese aus?
Mein Mann ist Australier, aber in Australien will er nicht leben. Wir werden weiterhin in Köln bleiben, und ich werde nicht nachlassen, mich für die Stadt zu engagieren. Ich weiß noch nicht, in welchem Bereich. Aber dank der Fachstelle bürgerschaftliches Engagement, die direkt bei mir angesiedelt ist, habe ich einen guten Überblick über die vielen Möglichkeiten. Außerdem bin ich von Haus aus Rechtsanwältin, meine Zulassung ruht seit 25 Jahren am Landgericht Münster. Ich habe früher viel Medizinrecht gemacht, das ist auch immer noch sehr gefragt.
Kein Ruhestand?
Ich werde nicht mehr in Vollzeit arbeiten, und ich werde viel selbstbestimmter leben. Oberbürgermeisterin ist ein Amt, kein Beruf. Ich habe dabei kein Wochenende, bin sieben Tage in der Woche im Amt. Ich habe jedes Jahr 15 Tage Urlaub zurückgegeben, weil ich sie gar nicht nehmen konnte.
Wir hatten 2020 gefragt, was die Kölner 2025 über Sie sagen sollen. Ihre Antwort: "Die Kölner sollen merken, dass ihre Stadt gut aufgestellt ist. Und sie sollen das schon auch auf mich zurückführen. Also wenn man merkt, dass ich hier gewirkt habe, wenn meine Handschrift erkennbar ist – das würde mich freuen." Wo erkennen Sie Ihre Handschrift?
Beim Schulbau zum Beispiel. Wir bauen gerade zwei Dutzend Schulen gleichzeitig. Wir eröffnen jedes Jahr Schulen, die es vorher nicht gegeben hat, und bieten unseren Kindern und Jugendlichen damit ein gutes Lernumfeld. Ich glaube, dieser Erfolg wird auch in der Zukunft Beachtung finden.
Henriette Reker (68) ist seit 2015 Oberbürgermeisterin von Köln. Zuvor war sie fünf Jahre lang Sozialdezernentin in Köln, von 2000 bis 2010 war sie Sozialdezernentin in Gelsenkirchen. Sie ist studierte Juristin. Bei ihrer ersten Wahl 2015 wurde die parteilose Henriette Reker im Wahlkampf von Grünen, CDU und FDP unterstützt, 2020 nur noch von Grünen und CDU.
Ist Köln gut aufgestellt?
Köln ist gut aufgestellt. Beispielsweise bei der Digitalisierung, wir sind beim Smart-City-Ranking auf Rang drei. Und wir sind gut durch die multiplen Krisen gekommen, nicht nur durch die Corona-Pandemie. In der Krise erkennt man, ob eine Stadt funktioniert. Und Köln funktioniert. Aber es kann noch besser werden. Es gibt noch Luft nach oben.
Sind Sie zufrieden mit der Stadt, die Sie nach zehn Jahren an Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger übergeben werden?
Es gibt noch genug zu tun, bis ich sagen kann: Ich bin zufrieden. Aber ich bin positiv gestimmt, wenn ich bedenke, welche Stadt ich übernommen habe und was in den letzten zehn Jahren geschehen ist. Meine erste Amtszeit ging mit einer Krise los – der Silvesternacht 2015, da war ich wenige Wochen im Amt. Dann kamen Corona, der Ukraine-Krieg, Tarifsteigerungen, die Erhöhung der Baupreise. Das alles sind Rahmenbedingungen, deren Folgen jetzt erst richtig ankommen. Deswegen ist die Haushaltssituation so, wie sie ist: Wirklich schlecht, um nicht zu sagen dramatisch. Wir werden uns in Zukunft nicht mehr alles leisten können. Das ist noch nicht überall angekommen, aber sickert nach und nach durch.
Trotzdem kam gerade diese Woche die Nachricht, dass zwei neue Fußgängerbrücken über den Rhein gebaut werden sollen. Dabei ist nicht mal genug Geld da, die Hohenzollernbrücke zu verbreitern, damit Fußgänger und Radfahrer mehr Platz haben.
Die Entscheidung, wofür wir Geld ausgeben, trifft der Rat. Die neuen Brücken müssten wir als Stadt bei weitem nicht allein bezahlen, wir bekämen Fördergelder. Wir brauchen solche Projekte für die Entwicklung der Millionenstadt.
Sie verstehen aber, wenn viele Kölnerinnen und Kölner abwinken, weil gefühlt solche Projekte in dieser Stadt sowieso nichts werden.
Ich will jetzt keinem zu nahetreten, aber so sind die Kölnerinnen und Kölner nun mal. Sie wissen nicht genau, ob sie Millionenstadt oder Veedelsdorf sein wollen. Ich bin da auch so ein bisschen schizophren. Einerseits finde ich es gut, dass die Kölnerinnen und Kölner so sind, wie sie sind. Das macht sie besonders und unsere Stadt so lebenswert. Auf der anderen Seite verpassen wir dabei, uns mit anderen Metropolen zu vergleichen – mit Kopenhagen oder Rotterdam und eben nicht mit Düsseldorf, Hannover oder Münster.
Sie sind parteilos. War es in Ihrem Amt ein Nachteil, nicht auf eine Partei zählen und mit ihr Entscheidungen treffen zu können?
Für mich war es ein Vorteil. Für mich zählt immer die beste Idee. Dass ich nicht auf eine Partei festgelegt war, habe ich als Vorteil empfunden. Hilfreich war, dass ich nicht so empfindlich bin. Mir bricht kein Zacken aus der Krone, wenn ich eine meiner Vorlagen nicht durchbekomme.
Konnten Sie so wirklich gestalten und Einfluss nehmen?
Das hat nichts mit einer Partei zu tun. Der Einfluss einer Oberbürgermeisterin wird oft überschätzt. Für fast alles brauche ich eine politische Mehrheit.
Was ist Ihnen gelungen? Wo haben Sie Ihre Vorstellung noch umgesetzt?
Der Ausbau der Radwege, die systematische Öffentlichkeitsbeteiligung, der Schulbau oder auch die Gründung der Koeln Business GmbH sind nachhaltige Erfolge. Ich habe die Verwaltung neu aufgestellt. Früher gab es keinen Verkehrsdezernenten, keinen Stadtentwicklungsdezernenten, kein Amt für Integration und Vielfalt, kein Ausländeramt. Ich habe Strukturen dauerhaft verändern können.
Köln hat zahlreiche Probleme. Junge Familien und Leistungsträger ziehen weg. Es gibt zu wenige Wohnungen, ein Müll- und Obdachlosen-Problem und eine offene Drogenszene mitten in der Stadt. Hätten Sie nicht mehr tun können?
Diese Probleme gibt es auch in Hamburg, München und Frankfurt.
Wir sind in Köln.
Ja, wir sind in Köln. Aber wir sollten auch über den Tellerrand gucken. Wir haben Probleme, die in Millionenstädten eben auftreten.
Trotzdem: Der Neumarkt ist voller Drogenabhängiger. Solche Spots gibt es auch in Berlin, Hamburg und München. Aber am Ebertplatz, Friesenplatz oder am Eigelstein und weiteren Orten der Innenstadt sieht es ja kaum anders aus. Sehen Sie eine zunehmende Verwahrlosung der Stadt?
Ja, ich sehe eine zunehmende Verwahrlosung der Stadt. Und die Mittel, dieser Verwahrlosung zu begegnen, sind sehr restriktiv. Einige Städte vertreiben die Obdachlosen und Drogenabhängigen aus der Stadtmitte. Dafür gibt es in Köln keine Mehrheit.
Sie brauchen doch keine Ratsmehrheit, um im Rahmen der Stadtordnung gegen Missstände vorzugehen.
Da haben Sie Recht. Aber man braucht einen politischen Willen und dafür müssten alle Stellen im Ordnungsamt besetzt sein. Wir haben 60 offene Stellen und finden nur schwer geeignete Mitarbeitende. Auch andere Maßnahmen, die uns im Moment zur Verfügung stehen, Drogenkonsumräume zum Beispiel, können das Problem nur abschwächen – nicht lösen. Die Entwicklung in Köln ist das Ergebnis einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die massiv voranschreitet.
Aber was sagen Sie Menschen, die ihr Sicherheitsgefühl zunehmend verlieren? Oder Angst haben um die Vielfalt einer bunten Stadt, in der gleichgeschlechtliche Paare immer mehr Ecken meiden oder jüdische Mitbürger Anfeindungen ausgesetzt sind. Da reicht es doch nicht zu sagen: Ich habe zu wenige Leute im Ordnungsamt.
Nein, aber ich erkläre, warum es nicht immer möglich ist, ein Problem zu lösen.
Mit dieser Haltung entziehen Sie sich doch der Verantwortung, eine Veränderung herbeizuführen.
Das stimmt nicht. Ich arbeite jeden Tag an einer Veränderung. Was glauben Sie, in welcher Stadt wir lebten, wenn wir nicht ständig daran arbeiten würden, Verbesserungen zu erzielen? Ich habe mich des Neumarkts angenommen, wir haben ihn belebt, eine kleine Gastronomie geschaffen, die Fußgängerwege geordnet. Wir machen viel, aber wir haben nur begrenzte Mittel. Wenn man zu restriktiveren Mitteln greifen oder viel mehr Geld in die Hand nehmen könnte, ließe sich die Situation spürbarer verändern. Ich bin selbst nicht zufrieden.
Wir erleben auf der Domplatte und dem Roncalliplatz, der Visitenkarte dieser Stadt, ähnliche Zustände und teils professionelle Bettlerstrukturen. Fehlt Ihnen da nicht die Ordnung?
Mir fehlt die Ordnung, aber ich bin keine Fürstin, die per Dekret verordnet. Um ein Beispiel zu nennen: Als ich die Flaggenmaler auf der Domplatte verbieten wollte, gab es für diese Änderung der Stadtordnung keine politische Mehrheit.
Wer kann die Ordnung herstellen, wenn nicht Sie?
Mit den Mitteln, die uns aktuell zur Verfügung stehen, niemand. Und wir als Stadt auch nicht allein. Da braucht es dann auch die Unterstützung der Polizei. Ich habe 2019 das norwegische Prinzenpaar vom Hauptbahnhof abgeholt und bin mit ihm über den Bahnhofsvorplatz zum Excelsior Hotel gegangen. Mette Marit wirkte verunsichert, aber ich habe sie beruhigt. Das ist ein Teil der Herausforderung: Wo in Europa gibt es direkt neben dem Hauptbahnhof, der täglich von 300.000 Fahrgästen frequentiert wird, eine Kathedrale?
Ist das eine Botschaft an ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger: Jede Anstrengung für mehr Ordnung ist in Köln vergebene Liebesmüh?
Wenn die CDU die absolute Mehrheit im Rat hätte, wären sicher restriktivere Maßnahmen denkbar.
Also wäre es für Sie doch leichter gewesen mit einer Parteimehrheit im Rücken?
Nein, es geht um politische Haltungen und um Prioritätensetzungen. Als CDU-OB hätte ich wahrscheinlich nicht so viele neue Fahrradwege zulasten des Autoverkehrs errichten können.
Wenn das Ordnungsamt durchgreift, werde es zurückgepfiffen, hört man aus dem Rathaus: So gehe man in Köln nicht miteinander um.
Es gibt eine Stadtordnung und Aufgabe des Ordnungsamtes ist es, sie durchzusetzen. Aber natürlich ist diese Stadt lässiger, darum lieben sie ja alle und kommen so gerne zu uns.
Haben Sie keine Angst, dass da etwas ins Rutschen gerät?
Doch. Und es ist eine bleibende Aufgabe, das zu verhindern. Die erledigt man aber nicht einfach so. Wenn wir an die Drogenszene denken, in der sich Crack verbreitet – inwieweit wir dagegen mit einem Drogenkonsumraum ankommen, weiß ich auch nicht. Die Gesellschaft verändert sich, und wir müssen diese gesellschaftliche Veränderung auffangen.
Was sich kaum verändert, sind Kölns Dauerbaustellen. Warum konnten Sie in zehn Jahren Amtszeit die Opern-Dauerbaustelle nicht abschließen?
Das enttäuscht mich selbst sehr und ich verstehe die Empörung der Kölnerinnen und Kölner, dass in die Bühnensanierung immer mehr Geld geflossen ist. Ich habe zu viel Vertrauen und Glauben in die Menschen gesetzt, die für den Bau verantwortlich waren. Ich war da nicht allein, habe mich mit dem Verwaltungsvorstand und den Baufachleuten abgestimmt.
Die Projektleiter haben zuletzt angekündigt, dass der Bau Ende des Jahres fertig ist. Woher nehmen Sie das Vertrauen, dass diese Ankündigung stimmt?
Das habe ich Projektmanager Professor Volm auch gefragt: Warum soll ich Ihnen das jetzt glauben? Er hat mich eingeladen und mir das Projekt und seine Herangehensweise erläutert. Er arbeitet sehr methodisch und die Oper ist zu über 90 Prozent fertig.
Die Oper wird dieses Jahr definitiv fertig?
Ja. Dann sind zwar Schauspiel und Oper noch nicht eingezogen und ich werde die Oper nicht mehr eröffnen – aber sie wird endlich fertig.
Warum gibt es in Köln so viele ungelöste Baustellen und Probleme?
Das Grundproblem ist, dass Köln eine Millionenstadt ist, deren Haushalt größer ist als der des Saarlandes. Eine solche Stadt ist mit ehrenamtlichen Politikern nicht zu steuern. Ich habe eine Kommunalreform oft beim Land in Düsseldorf angesprochen. Die Signale sind klar: Könnt Ihr vergessen.
Was heißt das für die Zukunft? Dass Ihre Nachfolgerin oder Nachfolger mit einer eigenen Ratsmehrheit oder einer härteren Hand agieren muss, um etwas voranzubringen?
Was Köln in erster Linie braucht, ist eine Oberbürgermeisterin oder einen Oberbürgermeister, die oder der Köln-affin ist. Sonst hat es keinen Sinn. Man muss die Menschen verstehen, die hier leben, und die Stadt kennen. Die oder der OB sollte einen stabilen Gesundheitszustand mitbringen, viel Engagement, dazu die Bereitschaft, die persönlichen Interessen an der Garderobe abzugeben. Man muss das gerne machen, was man macht, und sehr kritikfähig sein. Wichtig auch: Man muss die Stadt zusammenhalten. Wir haben hier 180 Nationen, 130 Religionsgemeinschaften. Alle mit einem großen Selbstbewusstsein und mit einer eigenen Ausstrahlung, natürlich. Und alle 14 Tage kommt jemand, der ein Denkmal im öffentlichen Raum aufstellen will. Auch all das gilt es zu managen.
Würde eine Doppelspitze aus Oberstadtdirektor und Oberbürgermeisterin helfen, wie es sie bis zur Verwaltungsreform 1999 gab?
Ich würde es dieser Stadt sehr wünschen.
Gäbe es diese Doppelspitze, was wären Sie?
Die Oberstadtdirektorin.
Also für die Verwaltung zuständig. Hier haben Sie auch als Oberbürgermeisterin, als Chefin der Verwaltung, den größten Gestaltungsspielraum. Konnten Sie den nutzen?
Ja, ich übergebe eine völlig andere Verwaltung, als ich sie vorgefunden habe. Sie arbeitet heute agiler und schneller, wir haben jetzt viel effektivere Verfahren. Die Verwaltungsreform ist ein großer Erfolg. Wir haben heute zum Beispiel ein digitales Baugenehmigungsverfahren und bieten den Kölnerinnen und Kölnern in allen Bereichen viel mehr digitale Services.
Letztes Wochenende setzte eine Demonstration ein Zeichen für Demokratie und für dieses bunte Köln. Auch Sie haben eine Rede gehalten. Wie sehen Sie die Migrationsgesetze von Friedrich Merz?
Ich glaube, dass wir eine kluge Beschränkung der Migration brauchen. Ich finde allerdings, dass diese Bundesrepublik auch andere Probleme hat als nur Migration. Ich würde mir wünschen, die Wirtschaftspolitik mehr in den Mittelpunkt zu stellen und nicht den Rechtsextremen aufzusitzen und deren Themen so ausführlich aufzubauen.
Sie sind Oberbürgermeisterin mit Unterstützung der Grünen und der CDU. Könnte eine solche Koalition im Bund überhaupt noch funktionieren?
Ja, das halte ich für möglich. Ich weiß nicht, wie Herr Söder da jetzt reinpasst, da kann ich mir auch wirklich keine Meinung erlauben. Aber ich glaube, so eine Koalition ist weiterhin möglich. Das Wahlergebnis wird uns zeigen, was geht und was nicht geht. Den Wahlkampf müssen wir jetzt durchstehen und dann werden sich Mehrheiten finden müssen – ohne Rechtsextreme.
Ihre Amtszeit begann 2015 mit einem Angriff auf Ihr Leben. Wie hat sich die Gesellschaft seitdem verändert?
Sie hat sich enorm verändert. Als ich im Wahlkampf war, wäre niemand überhaupt auf die Idee gekommen, dass man angegriffen werden könnte. Der damalige Generalbundesanwalt Peter Frank sagte, ich sei das erste politische Opfer seit den Taten der RAF gewesen. Gott sei Dank hatte ich das Glück zu überleben und die Chance, mein Amt auszuüben. Andere hatten das nicht.
Die Bedrohung hält viele Menschen davon ab, ein öffentliches Amt zu übernehmen.
Ich weiß auch nicht, wie ich agiert hätte, wenn ich eine Familie hätte. Ich höre von Kolleginnen und Kollegen, denen geschrieben wird: Ich weiß, in welchen Kindergarten Ihre Kinder gehen. Mit solchen Drohungen muss ich nicht umgehen. Mir schreiben die Leute, dass sie mich doof finden oder mich umbringen wollen. Diese Zuschriften gehen sofort weiter an die Polizei, ich lese das gar nicht. Ich sage immer: Wer mich umbringen will, schreibt mir vorher keinen Brief. Ich kann mich nicht absondern oder einmauern. Ich streite mich auch weiter mit den Leuten in dieser Stadt, auch wenn ich beim Einkaufen beleidigt werde.
Sie streiten im Supermarkt?
Ich werde häufig angesprochen: Was haben Sie da schon wieder gemacht? Oder: Schämen Sie sich nicht für diese dreckige Stadt? Und dann sage ich: Doch, ich schäme mich. Schämen Sie sich denn auch? Ich spreche mit den Menschen und nehme sie ernst. Ich werde für jede Rolltreppe der KVB, die nicht funktioniert, verantwortlich gemacht, obwohl ich als Oberbürgermeisterin keine Kompetenz habe, im Zuständigkeitsbereich der KVB irgendetwas zu entscheiden, aber ich helfe, den Kinderwagen die Treppen runterzutragen und rufe dann die KVB an und sage, an der Haltestelle funktioniert eine Rolltreppe nicht.
Was sagt die KVB?
"Ja, wird aufgenommen." Bei meiner Handynummer geht bei der KVB irgendwann vielleicht gar keiner mehr ans Telefon.
Rolltreppen funktionieren wirklich selten zuverlässig in dieser Stadt.
Meinen Sie, mir ist das egal, wenn ich erfahre, dass manche Rolltreppen schon seit Jahrzehnten stillgelegt sind? Ganz und gar nicht.
Das Auto soll in Köln aus der Stadt gedrängt werden, Parkhäuser werden nicht mehr genehmigt, Parken wird teurer. Gleichzeitig ist die KVB in Teilen dysfunktional. Wie passt das zusammen?
Ich bin auch der Meinung, dass wir bei der Mobilitätswende einen Schritt nach dem anderen machen müssen. Und zur Mobilitätswende gehört eine funktionierende KVB.
Die Verkehrsversuche mit Straßensperrungen und Einbahnregelungen haben in den letzten Jahren viele Kölner vor den Kopf gestoßen. War das Vorgehen richtig?
Ein Versuch ist ein Versuch. Über eine verkehrliche Neuordnung entscheidet immer die Politik. Mir ist es wichtig, gut zu kommunizieren. Es war oft der Knackpunkt, dass das nicht gut gelungen ist.
Was werden Sie vermissen, wenn Sie nicht mehr Oberbürgermeisterin sind?
Menschen kennenzulernen, die ich ohne mein Amt nie kennengelernt hätte. Das war ein Privileg. Barack Obama zum Beispiel. Auch viele andere – bekannte und unbekannte.
Wo werden wir Sie in Köln künftig treffen?
In den romanischen Kirchen, auf dem Wochenmarkt, in der Buchhandlung in meinem Veedel, in den Museen, im Tierpark, in der Philharmonie – und ja: in der Oper. Es ist einfach so: Die Stadt lebt, ich lebe mit ihr – und das sehr gerne. Jetzt und in Zukunft. © Kölner Stadt-Anzeiger
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