Die möglichen Halbfinal-Gegner der Bayern könnten unterschiedlicher kaum sein. Die Roma hat zwar nur Außenseiterchancen, aber eine überragende Mentalität. Real Madrid hat CR7, aber auch deswegen ein großes Problem. Und der FC Liverpool wartet mit dem besten Sturm auf dem Feld und Jürgen Klopp an der Seitenlinie auf.

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Die Viertelfinals der Champions League waren endlich mal wieder etwas fürs Fußballherz.

Die nationalen Meisterschaften in den europäischen Top-Ligen sind ja längst zu Langweilerveranstaltungen verkommen, in Deutschland, England, Spanien und Frankreich konnte sich so etwas wie Spannung kaum aufbauen, lediglich in Italien muss sich Juventus noch ein wenig anstrengen, um ein penetrantes Napoli auf Distanz zu halten.

In der Königsklasse läuft das in dieser Saison etwas anders. Mit Manchester City, Paris Saint-Germain, dem FC Barcelona und dem FC Chelsea sind die vier Klubs bereits ausgeschieden, die zuletzt am meisten Geld in ihre Kader gesteckt hatten.

Der innere Zirkel der Champions League ist bunt gemischt mit je einem Team aus der Primera Division, der Serie A, der Premier League und der Bundesliga und bis auf den FC Bayern sind aus den jeweiligen Ligen nicht unbedingt jene Teams übrig geblieben, die man im Vorfeld vermutet hätte.

Real Madrid ist dabei, nach neun Jahren stellt Spanien damit erstmal wieder "nur" einen Halbfinalteilnehmer. Und selbst der stand gegen Juventus vor dem sensationellen Aus. Dazu der FC Liverpool und der vermeintliche Außenseiter AS Rom.

Für die Bayern scheint es so leicht wie seit Jahren nicht mehr, die Champions League zu gewinnen. Aber wenn diese Saison bisher eines gezeigt hat, dann die Erkenntnis, dass es keine Underdogs (mehr) gibt.

Trotzdem unterscheiden sich die potenziellen Bayern-Gegner teilweise elementar in ihrer Spielweise und in der Art, wie sie den Bayern gefährlich werden könnten.

Abhängigkeit von Ronaldo ist Fluch und Segen

Real Madrid mag der größte Name sein, als Titelverteidiger auf dem Papier der schwerste Gegner. Aber Real wäre als alter Bekannter für die Bayern vielleicht am "leichtesten" zu lesen.

Das Gerüst der Mannschaft hat sich nicht verändert, Sergio Ramos, Marcelo, Toni Kroos, Luka Modric und Cristiano Ronaldo dominieren nun schon eine gefühlte Ewigkeit den europäischen Fußball. Dazu kommen Spaniens Toptalente Marco Asensio, Isco und Lucas Vazquez.

Real bringt das Komplettpaket mit aus Erfahrung, Wucht, Spielkultur und der nötigen Ehrfurcht, die es beim Gegner auslöst.

Ronaldo hat sein Spiel umgestellt, ist nicht mehr so verschnörkelt wie früher, sondern kommt eher aus der Mittelstürmerposition zum Abschluss und zeigt sich da so treffsicher wie nie zuvor.

Mit Trainer Zinédine Zidane, der in Madrid stark unter Druck steht, hat sich die Mannschaft schon früh in der Saison auf die Königsklasse konzentriert und den Titel in der Primera Division quasi kampflos abgeschenkt.

Das schont die Reserven für die heiße Endphase, zumal sich Real bis auf das wundersame Heimspiel gegen Juventus mit dem Beinahe-Exitus bisher auch relativ kraftsparend und souverän Runde um Runde qualifizieren konnte.

Wenn eine Mannschaft weiß, wie man in großen Spielen große Titel gewinnt, dann sollte es Zidanes Mannschaft sein. Allerdings ist Madrid auch ungeheuer abhängig vom Wohl und Wehe seines Superstars.

Ronaldo hat seit seinem Wechsel nach Madrid vor neun Jahren jetzt mehr als die Hälfte aller Champions-League-Tore seines Klubs in diesem Zeitraum geschossen. Das flößt Respekt ein, macht die Mannschaft aber auch ein gutes Stück berechenbar.

Wie die Bayern befindet sich Real in einem schleichenden Umbruch, den sehr wahrscheinlich ab Sommer ein anderer Trainer wird moderieren dürfen. Zidane hat nach zwei Titeln in der Königsklasse seine Schuldigkeit jetzt schon getan, selbst ein erneuter Triumph wird den Franzosen nicht retten, so heißt es.

Womit Zidane in gewisser Weise dem Schicksal von Jupp Heynckes folgen könnte: Den hatten die Königlichen vor 20 Jahren auch nach dem Gewinn der Champions League entlassen.

Die Roma hat das stärkste Kollektiv

So weit will man bei der Roma noch gar nicht denken. Trainer Eusebio di Francesco ist erst seit dieser Saison im Amt, hat die Römer aber erstmals seit 34 Jahren wieder ins Halbfinale der Königsklasse geführt.

Ekstatischen Fußball zeigte seine Mannschaft gegen Barcelona, das beste Spiel einer römischen Mannschaft seit Jahrzehnten. Die Roma wusste ihre Underdog-Rolle perfekt zu nutzen und erwischte Barca in den 90 Minuten des Rückspiels auf dem völlig falschen Fuß.

Fußballerisch dürften die Italiener am wenigstens zu bieten haben. Weder hat die Mannschaft herausragende Einzelkönner von Weltklasse in ihren Reihen, noch eine besonders ausgefeilte Spielidee mit dem Ball.

Die langen, hohen Zuspiele, mit denen Barca erhebliche Probleme hatte, dürften für Bayerns Innenverteidiger ein gefundenes Fressen sein. Aber die Mannschaft funktioniert als Kollektiv und hatte sich gegen Barcas Ballbesitzspiel ein paar überragende Ideen zurechtgelegt, um den Riesen wirkungslos werden zu lassen.

Nach dem 1:4 aus dem Hinspiel mit zwei Eigentoren ist die Roma auferstanden von den Toten, angeführt von ihrem energischen Kapitän Daniele de Rossi.

Die Italiener sind keine große Nummer in Europa, eher würde man sie ins Halbfinale der Europa League verorten - aber die Roma hat sich als wahres Mentalitätsmonster entpuppt, das in der Gruppenphase den FC Chelsea hinter sich gelassen und Atlético aus dem Wettbewerb geworfen hat, ebenso wie im Achtelfinale dann Schachtjor Donezk.

Im allgemeinen Hype um die Großkopferten hat sich die Roma bedeckt gehalten bis zum Rückspiel gegen Barca. Nach der magischen Nacht von Rom sollte nun aber niemand mehr auf die Idee kommen, diese Truppe auch nur im Ansatz zu unterschätzen.

Festung Anfield Road

Der gefährlichste Gegner der Bayern könnte in der Tat der FC Liverpool sein. Zwar gehören die Reds - ähnlich wie der AS Rom - in der Gesamtheit nicht mehr zum Adel des europäischen Spitzenfußballs. Für die Spielart der Bayern mit ihrem grundsätzlich dominanten Ansatz würde Jürgen Klopps Pressingfußball aber wie angegossen passen.

Gegen Manchester Citys Passmaschine hat Klopp gezeigt, was seine Mannschaft mit einem herausragend guten Plan im Spiel gegen den Ball und in den Umschaltmomenten für einen immensen Schaden anrichten kann beim Gegner.

Liverpool hat mit Mohamed Salah den heißesten Angreifer Europas in seinen Reihen, der Ägypter trifft tatsächlich öfter und regelmäßiger als Ronaldo und Lionel Messi. Dazu kommen mit Roberto Firmino und Sadio Mané zwei Komplizen, die Liverpool den wohl stärksten Angriff der vier noch verbliebenen Kandidaten verleihen.

Die Anfield Road ist für deutsche Mannschaften eine bislang uneinnehmbare Festung, noch kein einziges deutsches Team konnte in Liverpool bisher gewinnen. Und: Jupp Heynckes' ganz private Bilanz gegen Klopp ist negativ: Nur eins von neun Spielen in der Bundesliga konnte Heynckes gewinnen, vor sieben Jahren mit Bayer Leverkusen. Im Pokalfinale 2012 setzte es sogar ein 2:5 mit den Bayern gegen den BVB.

Immerhin bleibt die Gewissheit, Klopp im wichtigsten aller Spiele geschlagen zu haben: Der Sieg im Finale von Wembley ist aus Münchener Sicht mehr wert als alles andere.

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