Potsdam - Die AfD steht in Brandenburg nach Umfragen vor einem Erfolg bei der Bundestagswahl in drei Wochen.
Der Extremismusforscher Gideon Botsch hält die Entwicklung für besorgniserregend. "Die AfD zeigt immerhin in Brandenburg derzeit regelrechte Anzeichen einer Nazifizierung, und das scheint niemanden mehr zu interessieren", sagte der Professor der Universität Potsdam der Deutschen Presse-Agentur.
Bei den jüngsten Umfragen zeige sich, dass die AfD die bei der Landtagswahl errungenen knapp 30 Prozent im Land halte. "Das ist insofern besorgniserregend, als ihr im letzten Herbst ja eine weitere Ausdehnung ihres Potenzials gelungen war über ihre eigentliche rechtsextreme Kernklientel hinaus." Die Zahlen könnten darauf hinweisen, dass es der AfD derzeit gelinge, diese etwa fünf Prozent zusätzlichen Stimmen zu binden.
AfD deutlich vorn in Umfrage
In der jüngsten Umfrage des Instituts Insa für "Märkische Allgemeine Zeitung" (MAZ), "Märkische Oderzeitung" (MOZ) und "Lausitzer Rundschau" (LR) unter 1.000 Befragten in Brandenburg lag die AfD deutlich vorn. Sie kam in der Sonntagsfrage auf 28 Prozent der Stimmen, die SPD auf 20 Prozent und die CDU auf 19 Prozent. Bei der Landtagswahl lag die SPD noch mit 30,8 Prozent vor der AfD mit 29,2 Prozent.
Die AfD wird bundesweit und in Brandenburg vom jeweiligen Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. "Es ist (...) ein ungewöhnliches Ereignis, dass sie trotz ihrer Radikalisierung so dasteht, die Wählerinnen und Wähler also offenbar bereit sind, dies zu akzeptieren, auch wenn sie es nicht in allen Punkten teilen", sagte der Politikwissenschaftler. Doch die Proteste gegen die AfD nehmen zu - auch angesichts der Debatte über eine schärfere Migrationspolitik.
Rennen um die 10 Direktmandate
Vor vier Jahren gingen alle Wahlkreise noch an die SPD-Direktkandidaten, darunter auch Kanzler
Die SPD zeigt sich zuversichtlich. "Die jüngste Umfrage für Brandenburg zeigt, dass die Grundlage für eine Aufholjagd für Olaf Scholz und die SPD vorhanden ist", sagte der kommissarische SPD-Generalsekretär Kurt Fischer. "Schon zur Landtagswahl haben wir als SPD Brandenburg die Erfahrung gemacht, dass das Wahlergebnis nochmal deutlich anders als die Umfragen ausfallen kann." Nach dem Beschluss des Unions-Antrags für eine schärfere Migrationspolitik im Bundestag mit AfD-Stimmen am Mittwoch sei "alles offen".
Die Gegner von rechts werden ebenfalls lauter
Organisationen gegen Rechtsextremismus sind in Alarmstimmung. Die Amadeu Antonio Stiftung schreibt in einem Newsletter, ein Tabubruch wie die "Mehrheitsbeschaffung für einen CDU-Antrag mit Hilfe von Rechtsextremen" im Bundestag sei vor ein paar Tagen noch außerhalb jeder Vorstellungskraft gewesen. "Gerade in den kommunalen Gremien könnten jetzt die letzten Hemmungen, mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten, fallen."
In mehreren Städten kam es nach dem Bundestagsvotum für den Unions-Antrag zur Migrationspolitik zu Demonstrationen wie in Angermünde, Eberswalde und Falkensee. Weiterer Protest gegen Rechtsextremismus ist geplant - zum Beispiel am Sonntag in Potsdam.
"Es ist erschreckend, dass ein Antrag nur dank der Stimmen der AfD im Bundestag eine Mehrheit gefunden hat", kritisierte Thomas Wisch, Vorsitzender des Aktionsbündnisses in Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus und Superintendent der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. "Nachdem lange die Zusammenarbeit mit Rechtsextremen abgelehnt wurde, lassen sich die demokratischen Parteien nun von diesen vor sich hertreiben."
"Wer die Zusammenarbeit mit Rechtsextremen sucht, fällt den vielen Ehrenamtlichen in den Rücken, die sich tagtäglich vor Ort für die Demokratie einsetzen", sagte die Vize-Vorsitzende des Bündnisses, Birgit Gericke. Protest gibt es auch gegen den ersten hauptamtlichen Bürgermeister der AfD, Arne Raue. Jüterbogs Rathauschef war vor wenigen Wochen in die Partei eingetreten und macht Wahlkampf. Er hat Chancen, nach der Wahl am 23. Februar in den Bundestag einzuziehen.
AfD wendet sich gegen Brandmauer
Die AfD kritisiert die Abgrenzung anderer Parteien. "Die Brandenburger AfD kennt keine Brandmauern", sagte Landtagsfraktionschef Hans-Christoph Berndt. Er verteidigt die Debatte über eine schärfere Migrationspolitik. "Eine Asylwende in Deutschland ist überfällig. Ob die Diskussion darüber der AfD nützt, ist dabei nachrangig. Allerdings wissen die Wähler sehr gut, dass die CDU im Bundestag ihre Anträge zur Migration weniger aus eigenem Antrieb als vielmehr unter Druck der AfD stellt."
Brandenburgs CDU-Landes- und Fraktionschef Jan Redmann hält nichts von dem Begriff Brandmauer. Er lehnt eine Koalition seiner Partei mit der AfD jedoch strikt ab. Der BSW-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Niels-Olaf Lüders, fordert mehr Offenheit: "Es zeichnet uns aus, dass wir uns auf der Sachebene mit der AfD auseinandersetzen wollen und der Meinung sind, dass die bisherige Ausgrenzung der AfD gescheitert ist." © Deutsche Presse-Agentur
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