Digitalgipfel in Frankfurt: Beim Digitalgipfel der Bundesregierung diskutieren Kanzler Scholz und zahlreiche Minister über die digitale Transformation. Frankfurt will davon profitieren.

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Kristina Sinemus fackelt nicht lange. Ein Exoskelett, das Menschen bei körperlich anspruchsvollen Arbeiten unterstützt: Das will sich die hessische Digitalministerin von der CDU nicht nur anschauen, sondern es ausprobieren. Also legt sie sich den Anzug in Windeseile um das rote Kostüm, das sie an diesem Tag trägt, und lässt sich dabei von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) unterstützen. Dann hebt Sinemus zwei mit Glasflaschen gefüllte Äpfelwein-Kisten hoch. Der auch für Digitalisierung zuständige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagt, das Exoskelett der Firma German Bionic zeige, dass Digitalisierung nicht nur Arbeitsplätze ersetzen, sondern auch Arbeit erleichtern könne, und Sinemus stellt nach dem Anheben der Getränkekisten fest: "Wow, das ging mit dem künstlichen Skelett deutlicher leichter."

Das Gedränge am Stand des Augsburger Unternehmens im Kap Europa auf dem Messegelände ist groß. Habeck und Wissing sind am Montag nach Frankfurt gekommen, um dort den Digitalgipfel der Bundesregierung zu eröffnen, und Sinemus führt die beiden Minister stolz durch die Ausstellung, wo Unternehmen und Institutionen ihre Neuheiten vorführen. So hat zum Beispiel der Landkreis Fulda mehr als 200 kleine Wetterstationen in seinen Städten und Ortsteilen installiert, um künftig Starkregen besser vorhersagen zu können, als das derzeit auf Grundlage der Daten des Deutschen Wetterdienstes möglich ist. Nebenan zeigt der Darmstädter Professor Matthias Hollick eine digitale Litfaßsäule, die auch im Falle eines Strom- und Internetausfalls Bürger mit Informationen über Notlagen versorgen soll. Die Säulen sind Teil eines hessischen Forschungsprojekts, das die Funktionsfähigkeit von Städten bei Krisen und Katastrophen sicherstellen soll.

Bundeskanzler Scholz fordert mehr privates Kapital

Während Sinemus die Minister durch die Ausstellung führt, ist die Schlange am Eingang zum Kongresszentrum lang: Rund 1500 Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik haben sich für den 17. Digitalgipfel angemeldet, um dort am Montag und Dienstag über Innovationen, digitale Souveränität und internationale Zusammenarbeit zu diskutieren.

Zur Eröffnung der Tagung sagt Wissing, die Bundesregierung wolle die Rahmenbedingungen schaffen, damit Deutschland sich zum führenden KI-Land in Europa entwickeln könne. Dazu gehöre eine wirtschaftsfreundliche Anwendung der europäischen Verordnung für Künstliche Intelligenz und eine bessere Datenverfügbarkeit für neuartige Start-ups, sagte Wissing. Deutschland werde international für seine akademische Ausbildung von KI-Experten gelobt. Bei der Anwendung von KI in Wirtschaft und Verwaltung sehen Fachleute allerdings noch große Defizite, unter den weltweit führenden KI-Unternehmen befindet sich keines aus Deutschland.

Wirtschaftsminister Habeck beginnt seine Rede mit einem Scherz. Dass zwei Ministerien, eines von einem Grünen, eines von einem FDP-Mann geführt, einen Kongress dieser Größenordnung auf die Beine stellten, beweise doch, dass die Zusammenarbeit in der Ampelkoalition "bombe" laufe. Dann sagt Habeck, Deutschland brauche KI-Unternehmen, "die im weltweiten Wettbewerb bestehen können und KI-Anwendungen in die Breite der deutschen Wirtschaft tragen".

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trifft am Mittag in Frankfurt ein und verkündet, immer mehr internationale KI-Experten kämen nach Deutschland. Es müsse mehr privates Kapital in die Digitalisierung fließen. "Gemessen am Bruttoinlandsprodukt wird in den USA dreimal so viel wie in Deutschland als Wagniskapital investiert. So geht es nicht weiter."

Frankfurts OB Josef: KI darf gesellschaftliches Miteinander nicht gefährden

Für Frankfurt bietet der Gipfel die Chance, die Stadt und das Rhein-Main-Gebiet als Digitalregion zu positionieren. Schließlich sei Hessen mit einer leistungsstarken digitalen Infrastruktur und einer der höchsten Rechenzentrumsdichten in Europa ein führender Standort für die Digitalwirtschaft, die im gesamten Land zuletzt mehr als 40 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete und für rund 130.000 Arbeitsplätze steht.

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Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) sagt, der digitale Wandel verändere das Zusammenleben. "Es ist entscheidend, dass wir Technologien so nutzen, dass sie das Leben der Menschen verbessern, ohne individuelle Freiheiten zu untergraben und das gesellschaftliche Miteinander zu gefährden." Demokratische, rechtsstaatliche und ethische Prinzipien müssten auch im Digitalen gelten. Der Gipfel biete mit seinen rund 60 Veranstaltungen im Hauptprogramm die Möglichkeit, über diese Themen zu reden. Hessen zeigt sich dort mit Präsentationen, etwa zu smartem Leben, digitaler Wertschöpfung und digitaler Verwaltung. Auf dem Frankfurter Roßmarkt gibt es ein Rahmenprogramm für Bürger, im Gründerzentrum Tech Quartier wird über die Themen "Digitalisierung und Nachhaltigkeit" sowie zu Qualität und Sicherheit von Künstlicher Intelligenz diskutiert.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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