Die Vorsitzenden der Leverkusener SPD und der Grünen sind entsetzt. "Wir nehmen den Fall der Brandmauer mit Bestürzen hin", sagt der SPD-Vorsitzende Darius Ganjani.

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Er stelle mit Entsetzen fest: "Wenn eine Zusammenarbeit mit der AfD erforderlich ist, um selbst an die Macht zu kommen, ist dies für die Merz-CDU in Ordnung. Der Zweck heiligt die Mittel." Die Grünen sehen im Verhalten der CDU "einen gefährlichen Tabubruch", sagen die Parteisprecher Thomas Nagel und Rupy David: "Dass die CDU bereit war, ihre migrationspolitischen Anträge mit den Stimmen der AfD durchzusetzen, ist nicht nur ein Angriff auf die demokratische Kultur, sondern auch ein klarer Wortbruch von Friedrich Merz." Die Grünen stünden weiter "für eine klare Abgrenzung gegenüber rechtsextremen Positionen."

Ganjani fordert von der Leverkusener CDU eine klare Distanzierung vom Merz-Kurs: "Sollte die CDU Leverkusen hierzu nicht in der Lage sein, können die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr davor sicher sein, dass die CDU eine Mehrheit im Stadtrat mit den Stimmen durch AfD oder Aufbruch Leverkusen in Kauf nimmt."

Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben

Rüdiger Scholz, CDU-Parteichef

Darauf angesprochen sagt Rüdiger Scholz, Leverkusener CDU-Vorsitzender und Landtagsabgeordneter: "Klipp und Klar: Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben." Vom Kurs von Friedrich Merz distanzieren möchte er sich aber nicht. "Es war nach den Ereignissen von Magdeburg und Augsburg an der Zeit, dass wir etwas unternehmen." Dass die Stimmenmehrheit für das Migrationspapier mithilfe der AfD zustande kam, bedauert er, sieht die Schuld daran aber bei den Regierungsparteien. "SPD und Grüne müssen der Realität ins Auge zu schauen und sich nicht verweigern in solchen Punkten, in denen wir ein echtes Problem haben."

Ein gutes Beispiel dafür habe es jüngst in der Landespolitik gegeben: "Nach Solingen ist es in NRW gelungen, dass CDU und Grüne ein gemeinsames Sicherheitspaket verabschiedet haben." Das wünsche er sich auch auf Bundesebene, SPD und Grüne hätten ja nun noch bis zur Abstimmung am Freitag Zeit, ihre Position zu überdenken.

Für uns ist das ein Sieg der gelebten Demokratie

Yannick Noé, AfD-Parteichef und Bundestagskandidat

Aus AfD-Sicht gibt es da natürlich nichts zu überdenken. Dass Abgeordnete seiner Partei erstmals einer wichtigen Abstimmung zum Erfolg verholfen haben, "war ein guter Moment", sagte auf Anfrage Yannick Noé, Bundestagskandidat, Kreis- und Fraktionsvorsitzender. "Für uns ist das ein Sieg der gelebten Demokratie", der auch für die Unterstützer ein Signal sei. Das vieldiskutierte Votum habe dafür gesorgt, "dass unsere Wähler mehr Gehör bekommen". Was natürlich positiv sei, erst recht wenn – so wertet das Noé – die CDU sich nunmehr Positionen zueigen mache, "die die AfD seit Jahren vertritt".

Leverkusens AfD-Chef bezeichnet die Bundestagsfraktionen, die am Mittwoch den CDU-Anträgen zur Mehrheit verholfen hat, als "bürgerliches Mitte-Rechts-Bündnis": CDU, FDP, AfD bildeten so "einen Block gegen Links-Grün", das könne man nur gut finden. Allerdings müsse sich noch zeigen, ob die CDU wirklich Ernst macht. "Man kann nicht immer konservativ blinken und dann nicht liefern." In einer Koalition mit der CDU sähe Noé die AfD derzeit aber "ungern".

Die Leverkusener FDP-Vorsitzende Petra Franke bezweifelt, dass Friedrich Merz sich und seiner Partei so kurz vor der Bundestagswahl einen Gefallen mit dem Migrationspapier getan hat. "Es ist wichtig, dass sich etwas ändert, aber mit diesem Papier ändert sich faktisch erst einmal nichts." Wo der Antrag aber nun einmal vorlag, halte sie es für richtig, dass sich ihre Berliner Kollegen an den Sachfragen orientiert haben und nicht an möglichen Mehrheitsverhältnissen. "Wenn wir Anträgen, die wir sachlich für richtig halten, nicht zustimmen, weil eine andere Kraft dem auch zustimmen könnte – dann sprechen wir Rechtsaußen eine Macht zu, die ich denen nicht geben will."

Auch wenn die Leverkusener CDU nicht mit der AfD zusammenarbeiten will, werde sie sich nicht davon abhalten lassen, ihre Anträge einzubringen, sagt Scholz. Allerdings sieht AfD-Mann Noé den jüngsten CDU-Einsatz für eine Bezahlkarte durchaus als Veränderung: Auch die habe seine Partei im Stadtrat schon lange "vehement gefordert". Insofern sei der Vorstoß der Christdemokraten durchaus ein Erfolg für die AfD, die bisher ausgegrenzt worden sei. Aus Noés Sicht muss es nicht dabei bleiben: "Wir sind da offen." Er kann sich vorstellen, dass auch in Leverkusen dieser politische Fahrplan gilt: Zunächst werde "die Brandmauer" in den Kommunen fallen, dann in den östlichen Landesparlamenten, schließlich im Bundestag.

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CDU-Chef Scholz hält die Empörung von Seiten der SPD im vorliegenden Fall für scheinheilig und nennt ein Beispiel aus dem Jahr 2011: Damals hatte die Leverkusener SPD ein von der Stadtverwaltung vorgeschlagenes Verkehrskonzept für Hitdorf abgelehnt. Im Bezirk I konnte das – im Gegensatz zu anderen Ausschüssen – erfolgreich blockiert werden, weil neben SPD und Bürgerliste auch die Vertreterin von Pro NRW dafür stimmte. "Da hatten die auch kein Problem damit, wo die Stimme her kam", sagt Scholz.   © Kölner Stadt-Anzeiger

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