Wer wissen möchte, warum Friedrich Merz ein guter Bundeskanzler für Deutschland wäre, sollte mit CDU-Bundestagsmitglied Detlef Seif sprechen.

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Wer hingegen Gründe hören will, warum Friedrich Merz auf keinen Fall fürs Kanzleramt geeignet ist, dem kann SPD-Kreischef Thilo Waasem reichlich Auskunft geben.

Die Reaktionen auf die Vorentscheidung der Union in der K-Frage, die CDU-Chef Merz und CSU-Chef Markus Söder am Dienstagmittag verkündeten, fielen bei den Politikern im Kreis Euskirchen höchst unterschiedlich aus.

Er ist ein echter Teamworker.

Detlef Seif (MdB) über Friedrich Merz

Als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion ist Merz der Chef von Detlef Seif. Und der Weilerswister Bundestagsabgeordnete lässt nichts auf den designierten Kanzlerkandidaten kommen. "Er ist ein echter Teamworker", lobt Seif, der 2020 noch für Armin Laschet als Bundesparteivorsitzenden votiert hatte. Inzwischen habe er aber Merz, mit dem er sich seit gut einem Jahr duze, sehr schätzen gelernt.

Merz verbinde als Fraktionschef Führungsstärke mit der Fähigkeit, Leute mit anderer Meinung einzubinden, so Seif: "In der Fraktion unterbindet er keine Diskussionen. Aber er eiert auch nicht rum." Nachher gingen dann alle zufrieden aus der Sitzung. Das habe er früher auch schon mal anders erlebt, sagt Seif, der seit 2009 dem Bundestag angehört. Als CDU-Vorsitzender habe Merz zudem die Partei nach Streit und Wahlniederlage 2021 wieder geeint, erklärt Seif.

In der SPD wurde Merz immer wieder als "Lieblingsgegner" gehandelt. Diesen Begriff will sich Thilo Waasem nicht zu eigen machen. "Ich stelle mir aber die Frage: ,Was wäre das für ein Kanzler?‘", sagt der SPD-Kreischef: "Ist das jemand, der ein Gespür dafür hat, was die breite Mehrheit in diesem Land interessiert?"

An Friedrich Merz scheiden sich die Geister in der Euskirchener Politik

Eher nicht, so Waasem mit Blick auf Merz: "Wer mit einem Privatjet nach Sylt fliegt, wer mit BlackRock fragwürdige Dinge tut oder ein Steuer- und Sozialstaatskonzept für die CDU entworfen hat, das der Mehrheit in unserem Lande nur Nachteile gebracht hätte, aber den Wohlhabenden Vorteile, ist niemand, der im Interesse der Mehrheit in diesem Land arbeitet."

Zudem habe Merz in den vergangenen Monaten Sachen von sich gegeben, die nicht geeignet seien, das Land zusammenzuführen. Als Beispiel nennt Waasem die Äußerung von Merz, wonach Asylbewerber Deutschen die Termine beim Zahnarzt wegnähmen.

Nicht zuletzt weist Waasem darauf hin, dass Merz als Politiker noch keine exekutive Verantwortung getragen hat: "Jeder Ortsvorsteher im Kreis Euskirchen hat mehr Regierungserfahrung als Friedrich Merz."

CDU-Kreischef Pfennings ist ein bekennender "Merzianer"

Es sei gut, dass die Entscheidung so einvernehmlich getroffen worden sei, freut sich hingegen der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Voussem. Nach dem "Chaos 2021" (Voussem), als sich Armin Laschet und Markus Söder quasi bis zum Wahltag stritten, gehe er nun von einem großen Zusammenhalt in der Union aus.

Dazu habe auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst beigetragen, indem der sich bereits am Montag aus dem Rennen genommen habe. "Da hat sich Hendrik in den Dienst der Union gestellt", lobt Voussem seinen Landesparteivorsitzenden: "Er hätte es auch länger drauf ankommen lassen können."

Jeder Ortsvorsteher im Kreis Euskirchen hat mehr Regierungserfahrung als Friedrich Merz.

Thilo Waasem, SPD-Kreisvorsitzender

Dass Wüst höhere Beliebtheitswerte als Merz hat, mindere die Wahlchancen der Union aus seiner Sicht nicht, so Voussem. An der persönlichen Zustimmung für Merz könne man ja nun bis zur Wahl noch arbeiten. "Und höhere Werte als Olaf Scholz hat Friedrich Merz allemal", so der Euskirchener.

Grünen-Chefin Kemp sieht nun schwarz für Schwarz-Grün

Bei Myriam Kemp steht Wüst weitaus höher im Kurs als Merz. Die Co-Chefin der Kreis-Grünen blickt nach Düsseldorf, wo Wüst ziemlich geräuschlos mit den Grünen koaliert. Merz hingegen sei "unfassbar populistisch" unterwegs und daher "in diesen aufgeladenen Zeiten" als Kanzler ungeeignet, erklärt Kemp: "Für eine schwarz-grüne Zusammenarbeit nach der Bundestagswahl sehe ich schwarz."

Koalitionsbildungen würden ohnehin schwierig, sagt CDU-Kreischef Ingo Pfennings mit Blick auf die Wahlergebnisse der jüngsten Zeit. Er hatte am Dienstagmorgen in einer Sitzung von der Entscheidung in der Union erfahren – "und war sehr angenehm überrascht".

Pfennings ist nämlich so etwas wie ein "Merzianer", nachdem er den Sauerländer 2008 bei einer Veranstaltung der Jungen Union gehört hatte: "Ich hätte mir gewünscht, dass er schon 2020 Parteivorsitzender geworden wäre." Er setze jetzt darauf, dass die Union, anders als 2020, geschlossen in den Wahlkampf gehe, so Pfennings.

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Das wäre nämlich auch gut für die CDU im Kreis Euskirchen. Denn der Wahlkampf um den Kreistag, die Räte sowie um Landrats- und Bürgermeisterposten findet parallel zum Bundestagswahlkampf statt. Es sei denn, im Bund kommt es zuvor zu Neuwahlen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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