Düsseldorf - Angesichts der Initiativen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Verschärfungen in der Asylpolitik haben die SPD-Opposition und die Grünen im NRW-Landtag eindringlich gewarnt, auch Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen.

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Zugleich zeigte sich die AfD in einer Aktuellen Stunde siegesgewiss, dass die Brandmauer der Union gegen die AfD fallen werde.

"Wir dürfen als Demokratinnen und Demokraten den Rechtsextremen niemals auch nur einen Millimeter Raum geben", sagte Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer. "Denn wer den Rechtsextremen Raum gibt, der gibt ihnen Macht, und das darf in Deutschland nie wieder passieren."

Die Grünen sind in NRW der Koalitionspartner der CDU. Schäffer griff aber auch Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz an. Dessen Antwort könne nicht sein, dass Solidarität, Rechtsstaatlichkeit und Freizügigkeit in Europa aufgegeben würden.

Reul will kurzfristige Antworten

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte als Antwort auf die tödlichen Attacken von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg schnelles Handeln. Er erwähnte die umstrittenen Bundestagsanträge der Union und den Kurs von Kanzlerkandidat Merz dabei nicht wörtlich. Die jüngsten Gewalttaten hätten gezeigt, dass man bei einer regulierten Zuwanderung an "kurzfristigen Antworten nicht mehr vorbeikommt", sagte Reul. Dabei müsse man "vielleicht auch Abstand nehmen davon, dass es immer die beste oder die einzige (Lösung) ist oder dass man immer nur Recht hat". Zugleich schränkte der CDU-Politiker ein: "Vielleicht gibt es nicht immer die ideale Lösung."

Der SPD warf Reul vor, die Migrationsdebatte für Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren. "Natürlich ist es in Wahlkampfzeiten immer verlockender, die laute Nummer hier zu spielen." Die SPD hätte in der Ampel-Bundesregierung dreieinhalb Jahre Zeit gehabt für die Lösung der Zuwanderungsprobleme. Es reiche nicht aus, "Vertrauensverlust zu beklagen und immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen".

SPD: AfD ist Sicherheitsrisiko

Zuvor hatte SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott die Union eindringlich davor gewarnt, für ihre Bundestagsanträge Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen. Die Brandmauer zur AfD müsse aufrechterhalten werden. Ott kritisierte die Unions-Anträge, über die am Nachmittag im Bundestag abgestimmt werden sollte, als das "Ende einer europäischen Asylpolitik". "Die AfD ist die größte Gefahr für Recht und Ordnung, die es je in ein Parlament geschafft hat", sagte Ott. "Die AfD ist eine Nazi-Partei."

Für Demokraten verbiete sich jede Koalition und jede Kooperation mit dieser Partei. Niemand dürfe auf sie zählen oder mit ihren Stimmen kalkulieren. "Wer es trotzdem wagt, sollte niemals Regierungsverantwortung bekommen", sagte der SPD-Oppositionsführer. "Wer jetzt mit Worten und Gesten polarisiert und spaltet, wer im Affekt handelt und populistische Versprechungen macht, fügt unserem Land schweren Schaden zu."

AfD zeigt sich siegesgewiss

Der AfD-Abgeordnete Markus Wagner sah die Brandmauer der Union zur AfD gefallen. "Die Wirklichkeit selbst hat sie eingerissen", sagte er. "Hinter ihren Trümmern liegen Freiheit, Sicherheit und Wohlstand." Die Forderungen, die Merz in den Bundestag einbringe, seien "einfach nur gut und richtig". Schon in kommunalen Parlamenten stellten CDU und AfD immer öfter Mehrheiten zusammen. CDU-Mitglieder seien "frei, mit uns zusammen für ein besseres Deutschland zu sorgen". Die AfD werde das nutzen, sagte Wagner.

Die "antidemokratische Strategie", dass AfD-Stimmen nichts wert seien, weil sie keine Mehrheiten bilden könnten, sei vorbei. "Je mehr Stimmen die AfD bekommt, desto mehr kann die CDU das durchsetzen, was sie zumindest rhetorisch im Wahlkampf ihren Wählern verspricht."

FDP spricht von Staatsversagen

FDP-Landtagsfraktionschef Henning Höne sprach angesichts einer nach seinen Worten jahrelang verfehlten Asylpolitik von "Staatsversagen". Der Staat versage bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz und beim Schutz seiner Bürger. Innenminister Reul nannte das nicht hilfreich. Die demokratischen Parteien hätten die Pflicht, zu beweisen, dass der Staat funktioniere.

Für die FDP stellte Höne teils noch schärfere Forderungen auf als die Union im Bundestag. Er verlangte eine erschwerte Visa-Vergabe und die Streichung der Entwicklungshilfe für Länder, die ihre Flüchtlinge nicht zurücknehmen wollten. Allein in NRW gebe es mehr als 50.000 ausreisepflichtige Menschen. Die Abschiebehaft und Wohnsitzauflagen müssten intensiver genutzt werden. "Wer hier straffällig wird, verliert seinen Schutzanspruch", sagte Höne.

Grünen-Ministerin fordert Umsetzung von Regeln

Flucht- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) sagte, Hass, Spaltung und Ressentiment dürfe jetzt nicht das Feld überlassen werden. "Wir müssen für Gemeinsamkeit sorgen, dafür dass alle Menschen gleichermaßen in diesem Land sicher leben können." Aber die Regeln müssten auch durchgesetzt werden. Das erwarteten die Menschen. NRW habe nach der Messerattacke von Solingen mit drei Toten im August gehandelt. So würden etwa Asylverfahren durch drei zusätzliche Asylkammern beschleunigt.

Zugleich räumte die Grünen-Politikerin Paul ein, dass die sogenannten Dublin-Überstellungen in andere EU-Länder in Zehntausenden Fällen nicht funktionierten. Auch die Tatverdächtigen von Solingen und Aschaffenburg hätten für ihre Asylverfahren eigentlich nach Bulgarien rücküberstellt werden sollen.

Die für ihre ereiferten Reden bekannte AfD-Abgeordnete Enxhi Seli-Zacharias sprach vor allem den Grünen Verantwortung ab. "Dieser Staat funktioniert nicht", sagte die Politikerin mit Blick auf die Reihe tödlicher Attacken. Statt sich der Verantwortung zu stellen, hätten führende Grüne bei einer Demonstration gegen Rechts lächelnd für ein Selfie posiert, während Opfer-Familien zuhause trauerten.  © Deutsche Presse-Agentur

Plenarsitzung Landtag NRW
Der nordrhein-westfälische AfD-Landtagsabgeordnete Markus Wagner sieht die "Brandmauer" der Union zu seiner Partei eingestürzt. © dpa / Rolf Vennenbernd/dpa
Plenarsitzung Landtag NRW
Die AfD-Landtagsabgeordnete Enxhi Seli-Zacharias nennt das Verhalten der Grünen in der Asyldebatte verantwortungslos. © dpa / Rolf Vennenbernd/dpa
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