Der Rekordmeister stellt die älteste Mannschaft der Bundesliga, auf einer angeblichen Streichliste sind illustre Namen notiert - aber so richtig investieren will Präsident Uli Hoeneß nicht. Der FC Bayern erhöht stattdessen den Druck auf seine Spieler und den kommenden Trainer Niko Kovac. Es ist ein Spiel mit dem Feuer.

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Gerüchte und Spekulationen gehören zum Wesen einer Sommerpause. Und wenn dann noch ein großes Endturnier abgehalten wird und sich haufenweise Spieler dort auf der größten Bühne präsentieren können, dann nimmt der Transfermarkt bisweilen groteske Züge an.

So wird das auch in diesem Sommer wieder laufen - nur dass die Rahmenbedingungen so extrem sind wie nie zuvor.

Alle Klubs der Bundesliga haben mit diesen erschwerten Bedingungen zu kämpfen, selbst für den großen FC Bayern hat sich eine Menge geändert.

Nach einer - für Münchener Verhältnisse - unterdurchschnittlich erfolgreichen Saison sollte der Kader spürbar umgebaut werden. Und so kündigen sich schon einige Abgänge mehr an, als man es von den Bayern gewohnt ist.

Neulich hatte die "Sport-Bild" eine Art Streichliste veröffentlicht - mit Spielern, die die Bayern im diesem Sommer verlassen könnten. Wenig überraschend stand Juan Bernat darauf, aber auch Arturo Vidal, Thiago und sogar Weltmeister Jerome Boateng.

In der "Welt am Sonntag" sinnierte zudem Thomas Müller darüber, wie wohl ein Fußballer-Leben nach den Bayern aussehen könnte.

Grundsätzlich sei es zwar schwierig, vom FC Bayern loszukommen, und aktuell habe er keine Gedanken, etwas anderes zu machen. Andererseits "wäre eine andere Aufgabe sicher auch mal interessant und reizvoll. Wenn die Situation mal eine andere ist, kann viel passieren".

"Wir werden nix mehr investieren"

Robert Lewandowski ist ein Dauerthema in München - und das schon seit Monaten. Wieder einmal hat sich der Pole dank seiner Berater zwischen allen Stühlen platziert, die Debatten um einen Wechsel des bald 30-Jährigen dürften die Bayern noch bis Ende August verfolgen.

Mit den Vertragsverlängerungen von Franck Ribéry und Arjen Robben hat der Rekordmeister auch ein Signal gesetzt. Die alte Garde bekommt nochmal eine Saison.

Aber schon die abgelaufene Spielzeit hat gezeigt, dass die Bayern gerade international Probleme bekommen können und dass es mit dem aktuellen Personal für die absolute Weltspitze nicht mehr reicht.

Dabei saß Übervater Jupp Heynckes noch auf der Bank. Niko Kovac mag sehr viele der Kriterien erfüllen, die die Bosse an ihren wichtigsten Angestellten haben - eine Garantie, einen mit Weltklassespielern gespickten Kader zu moderieren, zu motivieren und zum Erfolg zu coachen, wie es Heynckes gelang, bringt Kovac aber nicht mit.

Insofern ist die Situation ohnehin schon interessant genug. Mit Leon Goretzka steht erst ein externer Zugang fest, dazu kommen die beiden Rückkehrer Serge Gnabry und Renato Sanches.

Stellt man den Zugängen die potenziellen Abgänge Thiago, Vidal oder Boateng gegenüber, dürften sich die Bayern kaum verbessern. "Wir werden nix mehr investieren, sondern werden unsere Spieler dazu bringen, besser zu spielen", sagte Präsident Uli Hoeneß nach dem verlorenen Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt.

Druck auf Kovac

Ein klarer Fingerzeig sollte das sein an den Kader - aber auch an den neuen Trainer Kovac, der einzelne Spieler wieder besser machen soll, als sich diese im Endspurt der letzten Saison präsentiert hatten.

Am Wochenende legte Hoeneß in einem Interview mit der "Abendzeitung" noch einmal nach. "Wenn ich auch im Fußball immer höre: 'Jetzt brauchen wir noch den Star und den Star...' - nein, ein Trainer ist ein Fußballlehrer, der seinen Spielern etwas lehren muss."

Trotzdem dürften Goretzka, Gnabry und Sanches nicht die einzigen Transfers in diesem Sommer bleiben. Das Gros der Stammspieler wird an der WM teilnehmen und eine entsprechend kurze Vorbereitungszeit haben.

Neben den deutschen Nationalspielern sind James (Kolumbien), Thiago (Spanien), Tolisso (Frankreich) und Lewandowski (Polen) bei der WM im Einsatz.

Die zerstückelte Vorbereitung wird zu einer echten Herausforderung für Kovac, der etwaige Probleme in der Kader-Struktur erst spät erkennen kann.

Zumal der Kader mit 28 Spielern ziemlich aufgebläht ist und die wichtigsten Stützen wohl erst Mitte oder Ende Juli dazu stoßen werden. Von etwaigen Verletzungen bei der WM ganz zu schweigen.

So richtig möchten sich die Bayern nicht auf eine Strategie festlegen. Im vergangenen Sommer hatte Hoeneß selbst noch "Granaten" angekündigt, die man zur Verstärkung des Kaders kaufen müsse. Und: "Vielleicht wird es etwas geben, was es beim FC Bayern bisher noch nicht gegeben hat."

Die Bayern waren dann aber doch nur verhältnismäßig moderat ins Risiko gegangen.

Nun stehen die jüngsten Hoeneß-Aussagen jenen gegenüber, die auch nur ein paar Wochen älter sind. "Wir brauchen den einen oder anderen Spieler, der in wichtigen Spielen Höchstleistungen bringt - und nicht, wenn man gegen die schwachen Gegner spielt", sagte Hoeneß am Rande der Meisterfeier auf dem Marienplatz.

Bayerns Kader ist überaltert

In der internen Hierarchie hat sich Joshua Kimmich nach oben gearbeitet, der Rechtsverteidiger ist der potenzielle Kapitän einer Bayern-Mannschaft der Zukunft und ein Paradebeispiel dafür, wie sich Hoeneß den Mentalitätswandel einiger Spieler vorstellt.

Kimmich ist noch ein vergleichsweise junger Spieler, grundsätzlich ist Bayerns Kader aber nicht besonders zukunftstauglich zusammengestellt. Bei den Top Ten der Startformationen mit dem höchsten Durchschnittsalter belegten die Bayern die Plätze eins bis neun, Rang zehn fiel Kovac' Eintracht zu.

Am 28. Spieltag gegen Borussia Dortmund knackten die Bayern die 30-Jahre-Marke und stellten eine Startelf mit einem Durchschnittsalter von 30,1 Jahren.

Sieben Spieler sind 30 Jahre oder älter, im Laufe der kommenden Saison kommen noch Sven Ulreich, Mats Hummels, Jerome Boateng, Javi Martinez und Lewandowski dazu. Kingsley Coman (21), Sanches (20) und der vierte Torhüter Christian Früchtl (18) sind die einzigen U-21-Spieler im Münchener Kader.

Die Bayern müssen auch perspektivisch handeln, gerade in der Innenverteidigung und im offensiven Mittelfeld wären junge, frische Kräfte notwendig.

Fekir oder Werner?

Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart wäre ein interessanter Spieler für das Abwehrzentrum, Hoffenheims Kevin Vogt soll ebenfalls ein möglicher Kandidat sein.

Vogt wäre für eine überschaubare Summe zu bekommen, bei Pavard hat Stuttgarts Michael Reschke bereits angedeutet, dass man bei Angeboten unter 30 Millionen Euro nicht einmal die Tür zum Gespräch öffnen würde.

Im Zuge der Lewandowski-Debatten werden etliche Namen als mögliche Nachfolger des Polen in München gehandelt, Edinson Cavani (PSG) oder Alvaro Morata (FC Chelsea) etwa.

Bei beiden würden sich die Bayern aber bei der Ablösesumme und dem Jahresgehalt in Sphären bewegen, die sie eigentlich gar nicht erreichen wollen.

Etwas realistischer erscheint da die Verbindung zu Nabil Fekir. Der Shooting-Star der Ligue 1 von Olympique Lyon wird derzeit bei so ziemlich jedem europäischen Spitzenklub gehandelt. Oder aber Timo Werner könnte demnächst in München auch ein Thema werden.

Die Bayern werden ganz sicher noch aktiv auf dem Transfermarkt. Aber sie werden keinen Radikalumbruch vollziehen. Von der angeblichen Streichliste könnte tatsächlich der eine oder andere Spieler München bald verlassen - aber garantiert nicht alle vier.

Vielmehr taugt diese imaginäre Liste dazu, den Spielern von Vereinsseite wieder etwas mehr Druck zu machen. Um damit auch den Start für Kovac zu erleichtern. Der dürfte es bei den Bayern ohnehin schon schwer genug haben.

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