Markus Söder ist der beliebteste Politiker der Union. Der CSU-Chef ist ein gewiefter Machtmensch, der auch vor Populismus nicht zurückschreckt. Kann – und will – Söder noch nach der Kanzlerkandidatur greifen?

Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von F. Hartmann, F. Busch und T. Pillgruber sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der CSU-Chef hat sich das Fan-Outfit übergezogen. Trikot, Sonnenhut, Sonnenbrille – alles in Deutschland-Farben, selbst die Gläser der Brille. So präsentiert sich Markus Söder vor dem EM-Spiel der DFB-Elf gegen Ungarn auf seinem Instagram-Kanal. Deutschland-Fan Söder tippt, na klar, auf Sieg. Dann verweist er noch schnell auf einen Auftritt bei Markus Lanz am Abend.

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Knapp eine halbe Million Menschen folgen Söder auf Instagram. Hier zeigt der bayerische Ministerpräsident, was er isst, wen er trifft, wo er unterwegs ist. Und bei einer Heim-EM darf es auch mal patriotisch zugehen, erst recht bei der CSU. Vorhang auf für die große Söder-Show.

Söder weiß sich zu inszenieren

Der bayerische Ministerpräsident weiß sich zu inszenieren. Eine Strategie, die bislang aufgeht: Meinungsumfragen weisen Söder immer wieder als einen der beliebtesten Politiker Deutschlands aus. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag unserer Redaktion kommt zu dem Ergebnis: Unter den Anhängern von CDU und CSU halten 47 Prozent den Mann aus Bayern für den geeignetsten Kanzlerkandidaten der beiden Parteien.

In der Union gibt es niemanden, der an Söders Popularitätswerte heranreicht. Nicht die ambitionierten Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Hendrik Wüst und Daniel Günther. Und erst recht nicht CDU-Chef Friedrich Merz, der wahrscheinlich nächste Kanzlerkandidat der Union.

Was hat der CSU-Chef, was sie nicht haben? Wieso kommt Söder so gut an? Und vor allem: Wohin führt seine Karriere noch?

Berlin, Anfang Mai. Die CDU trifft sich zum Bundesparteitag. Mittendrin: Markus Söder. Die Delegierten empfangen den Gast aus Bayern wie einen Popstar. In seiner Rede attackiert er die Ampel und besonders die Grünen, seine Lieblingsgegner. Die seien durch die "Woke"-Ideologie geprägt. Vielen in der CDU gefällt Söders hemdsärmelige Art. Auf Diplomatie legt er weniger Wert als der durchschnittliche Christdemokrat.

"Markus Söder scheint nahezu angstfrei zu sein. Er geht politische Themen an, weiß, was das Volk bewegt – ohne Sorgen, ob er sich damit bei allen beliebt macht oder nicht", sagt Julia Klöckner unserer Redaktion. Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin und heutige wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion kennt Söder schon lange, sie beschreibt ihn als "kollegial und kooperativ".

Söder torpedierte Jamaika im Bund

Allerdings hat die CDU den CSU-Kollegen aus Bayern auch schon anders kennengelernt. 2021 lieferte er sich mit Armin Laschet vor und hinter den Kulissen einen verbissenen Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union. Laschet hat die Wahl danach zwar verloren. Trotzdem wäre im Bund eine Jamaika-Koalition drin gewesen. Söder torpedierte diese Pläne wenig verhohlen. Nicht nur in der CDU, auch in der FDP sind viele der Meinung: Der Mann aus Bayern hat die Union damals um die Macht gebracht.

Frei nach dem Motto: Entweder Söder oder nichts.

Politische Beobachter und Weggefährten aus München wundert das nicht. "Markus Söder geht es als allererstes darum, was Markus Söder nützt", sagt Johannes Becher, Vize-Fraktionschef der Grünen im bayerischen Landtag. Das Verhältnis zwischen Bechers Partei und der CSU ist, vorsichtig ausgedrückt, kompliziert. Der Instinktpolitiker Söder hat eine Anti-Grünen-Stimmung in der Gesellschaft ausgemacht – und die nutzt er konsequent aus. Im bayerischen Landtagswahlkampf kam keine Bierzelt-Rede ohne den Hinweis aus, dass den Grünen das "Bayern-Gen" fehle. Schwarz-Grün? Im Freistaat ausgeschlossen.

Söder, der Grünenfresser.

Dabei gab es auch schon einen anderen Söder. Einen, der Bäume umarmte, der den Klimaschützer mimte, der gegen Atomkraft war – und der eine Koalition mit den Grünen "für das interessanteste politische Angebot" hielt. Das ist nicht mal drei Jahre her. In Deutschland wütete da noch das Coronavirus und der bayerische Ministerpräsident war einer der lautstärksten Kämpfer für strenge Schutzregeln. Eine Position, die er später geräumt hat. Noch eine Söder-Wendung.

Es sei normal, dass Politiker ihre Positionen ein Stück weit anpassen, wenn sich Dinge ändern, sagt Grünen-Fraktionsvize Becher. Solange sie dabei Grundsatzüberzeugungen haben. "Markus Söder aber hat wahrscheinlich kaum Überzeugungen, die er über Bord werfen könnte", sagt er. Daher liege auch nur "ein politischer Wimpernschlag" zwischen dem Söder, der sich für Umweltschutz einsetzt, und dem, der die Grünen zum Hauptgegner ausruft.

Man kann das ruchlos nennen. Oder geschickt. Fakt ist: Die Wählerinnen und Wähler haben mit Söders Volten wohl kein Problem, im Gegenteil. Es kommt an.

Expertin erklärt den Söder-Erfolg

Ursula Münch beobachtet die CSU und ihre jeweiligen Vorsitzenden schon lange. Die Direktorin der Politischen Akademie in Tutzing (Bayern) findet, dass sich Markus Söder von anderen Unionsgrößen abhebt, das sei Teil des Erfolgs. Er wirke dynamischer, nahbarer – und sei ein Medienprofi durch und durch.

"Er ist sehr präsent, kann gut formulieren und besetzt Themen, die die Leute bewegen", sagt Münch. Etwa in der Migrationspolitik: Nach der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim war Söder sofort zur Stelle. Erst forderte er Sofortarrest für ausländische Gefährder. Dann legte er beim Thema Abschiebungen nach – die dürften auch nach Syrien und Afghanistan kein Tabu sein.

Der gelernte Journalist Söder (Volontariat beim Bayerischen Rundfunk) weiß, wie man politische Botschaften zuspitzt. Anders als CDU-Chef Friedrich Merz vergreife sich Söder dabei selten im Ton, sagt Münch.

Dass der CSU-Chef mitunter "dramatische Kurswechsel" (Münch) vollzieht, falle nicht weiter auf. Eben weil er so schnell neue Themen besetzt und manche Volte dadurch in Vergessenheit gerate, sagt die Politik-Kennerin.

Nur: Wofür steht Markus Söder dann wirklich?

"Er spricht am liebsten über sich selbst", sagt Grünen-Politiker Johannes Becher. Söder betreibe eine "Boulevardisierung der Politik". Show und Schlagzeilen. "Er steht für Bavaria First, also Bayern zuerst", sagt Politologin Münch. Das ist einerseits die Erwartungshaltung an einen CSU-Chef. Er muss bundesweit hörbar sein, aber Politik in erster Linie für den Freistaat machen. Andererseits könnte das zum Problem werden.

Nämlich dann, wenn ein CSU-Chef der Kanzlerkandidatur nahekommt.

"Die Wähler fragen sich: Macht so jemand nicht weiter nur Politik für Bayern?", sagt Münch. Also Bavaria First. Dass der CSU-Chef nach Höherem strebt, ist für Politik-Kennerin Münch offensichtlich. Allerdings läuft in der K-Frage – Stand jetzt – alles auf CDU-Chef Merz hinaus.

K-Frage: Söder gibt sich kleinlaut

Noch sei die Kanzlerkandidatur für die nächste Bundestagswahl nicht entschieden, heißt es bei der CSU. Doch damit Söder zum Zug kommt, müsste in der CDU zunächst der Frust über den eigenen Vorsitzenden Merz groß werden und die Erkenntnis reifen: Merz erobert das Kanzleramt für die Union nicht zurück. Bisher scheint die CDU aber sehr zufrieden zu sein mit ihrem Vorsitzenden. Doch wer weiß, wie die Landtagswahlen im Osten ausgehen in diesem Jahr. Ein Debakel für die Union könnte auch den CDU-Chef beschädigen.

CSU-Chef Söder weiß das und bleibt in Lauerstellung. Vordergründig beteuert er seine Solidarität. Auf dem CDU-Parteitag im Mai gab sich Söder ungewöhnlich kleinlaut. "Ich verspreche euch, an mir wird der Erfolg 2025 nicht scheitern", rief er den Delegierten zu. Die Frage über die nächste Kanzlerkandidatur werde man gemeinsam beantworten, der CDU-Vorsitzende sei immer der Favorit. Womöglich weiß Söder, dass damals, 2021, sein Ego mit ihm durchging.

Er hätte wohl nur noch eine Chance auf die nächste Kanzlerkandidatur, wenn Friedrich Merz nicht will, was keiner glaubt. Oder die CDU nach dem Mann aus Bayern ruft. Dann stünde Söder, das darf man als sicher annehmen, sofort bereit.

Verwendete Quellen

  • Gespräche mit Julia Klöckner, Ursula Münch und Johannes Becher
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