Wir wissen ja nicht, wie es Ihnen geht, aber wir fühlen uns schon leicht fiebrig. Nur noch wenige Stunden, dann stehen sich auf dem heiligen Rasen des Wembley-Stadions Borussia Dortmund und der FC Bayern München im Champions-League-Finale gegenüber. Beide Mannschaften "have a grandios Saison gespielt" - um es mal mit Roman Weidenfeller zu sagen. Welches Team aber im Spiel der Spiele die besseren Chancen hat, versuchen wir im Direktvergleich herauszufinden.
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Die Torhüter
FC Bayern (Neuer): Manuel Neuer ist ein großartiger Torwart. Trotzdem unterläuft dem Ex-Schalker gerne mal der eine oder andere Patzer. Vor allem in der Luft und bei Ecken wirkt Neuer nicht immer hundertprozentig sicher. Ob dies daran liegt, dass er eine eher langweilige Saison im Bayern-Tor erlebt und kaum Gelegenheit bekommt, sich auszuzeichnen? Das kann wohl nur er selbst beantworten. Sollte es zum Elfmeterschießen kommen, wäre Neuer nicht nur als Mann zwischen den Pfosten zur Stelle. Er würde, wie im Finale 2012, auch selbst als Schütze antreten. "Ich habe bis jetzt keinen Elfmeter im Training geschossen. Wenn ich gebraucht werde, bin ich aber da", sagte der Torhüter auf der Pressekonferenz am Mittwoch. Gegen den FC Chelsea hatte er sicher verwandelt.
Borussia Dortmund (Weidenfeller): Roman Weidenfeller ist ein großartiger Torwart. Punkt. Kaum ein Torhüter in Europa liefert derart konstant eine so gute Leistung ab wie der Keeper der Schwarz-Gelben. Sein Anteil am Erfolg der Borussia ist riesig. Gegen Ajax Amsterdam und Real Madrid parierte Weidenfeller bereits in der Anfangsphase extrem schwierige Bälle. Vor allem in Eins-gegen-Eins-Situationen heißt es für die gegnerischen Stürmer oft "Endstation Weidenfeller". Er könnte zum Helden in diesem Finale werden.
Fazit: Hier lassen wir den Torwarttrainer der Nationalmannschaft Andreas Köpke zu Wort kommen: "Roman hat sich sicherlich viel öfter auszeichnen können. Wobei Manuel international dasselbe Problem wie in der Bundesliga hat, dass er weniger Bälle auf sein Tor bekommt. [...] Es ist aus meiner Sicht ein Finale auf Augenhöhe." (auf "zdfsport.de"). Wir sehen Weidenfeller dennoch leicht im Vorteil. Bayern 0 - 1 Dortmund
Die Abwehr
FC Bayern (Lahm, Boateng, Dante, Alaba): Die Abwehr des FC Bayern war in dieser Saison einfach kaum zu überwinden. Wackler? Ein Fremdwort. Angriffsambitionen? Immer gerne. Vor allem die Außenverteidiger Philipp Lahm und David Alaba schalten sich regelmäßig in die Offensivbemühungen ihrer Vorderleute ein. Das können sie sich auch locker erlauben, weil der Gladbacher Neuzugang Dante die Bayern-Defensive dirigiert, als hätte er nie irgendetwas anderes gemacht. Und ob neben Dante der scheinbar in einen Jungbrunnen gefallene Daniel van Buyten spielt oder der seit dieser Saison äußerst stabile Jerome Boateng, macht da schon fast keinen Unterschied mehr. Und gerade einmal 18 Gegentore in der Liga sprechen eine allzu deutliche Sprache.
Borussia Dortmund (Schmelzer, Hummels, Subotic, Piszczek): Wenn es im Team des BVB eine Schwachstelle gibt, dann ist es überraschenderweise die Abwehr. In den Meisterjahren noch eine Bank, hat sich in der zurückliegenden Saison die eine oder andere Schlamperei eingeschlichen. 42 Gegentore in der Liga offenbaren eine Unsicherheit in der Dortmunder Defensive, die man lange Zeit nicht kannte. Sogar Mats Hummels, eigentlich Mr. Zuverlässig, hat seit seinem Schnitzer im Halbfinal-Spiel gegen Real Madrid - ein Rückpass aus dem Gruselkabinett - einen neuen Spitznamen (zumindest in Bayern): Bruder Leichtfuß. Zu allem Überfluss plagt sich der Innenverteidiger auch noch mit einer Knöchelverletzung herum und musste beim Saisonfinale gegen Hoffenheim ausgewechselt werden. Sein Einsatz im CL-Finale sei jedoch "absolut realistisch", twitterte der BVB.
Fazit: Obwohl auch die Abwehr des FC Bayern einmal einen schlechten Tag erwischen kann, gewinnen die Münchner dieses Duell deutlich. Bayern 1 - 1 Dortmund
Das defensive Mittelfeld
FC Bayern (Schweinsteiger, Martínez): Der 19. Mai 2012 war der Tag, an dem Bastian Schweinsteiger seine Eier endgültig verlor (im Halbfinale gegen Madrid hatte er sie im Elfmeterschießen rechtzeitig wiedergefunden) und seinen Elfmeter an den Pfosten des Allianz-Arena-Tores setzte. Seitdem hat er seine Eier aber eindeutig wiedergefunden. Schweinsteiger ist Dirigent, Passgeber, Spieleröffner und Schaltzentrale zwischen Abwehr und Angriff - kurzum: alles, was einen idealen Mittelfeldchef ausmacht. Sein kongenialer Partner Javi Martínez hat die Last seiner 40-Millionen-Euro-Ablöse mittlerweile auch abgelegt. Der Spanier überzeugt vor allem durch Übersicht statt übertriebenem Gegrätsche. Was nicht heißen soll, dass er nicht auch ordentlich zulangen kann, wenn es die Situation erfordert. Sein einziger "Nachteil": Ihm fehlt diese ganz spezielle Motivation, die sein Partner auf der Doppelsechs, Bastian Schweinsteiger, aus dem verlorenen "Finale dahoam" zieht.
Borussia Dortmund (Bender, Gündogan): Letztes Jahr wurde Ilkay Gündogan nach dem DFB-Pokal-Halbfinale bei Greuther Fürth vom Mannschaftsbus vor dem Stadion vergessen. Heute würde das wohl nicht mehr passieren. Der BVB wacht mit Argusaugen über den "nächsten Xabi Alonso", wie ihn die spanische Sportzeitschrift "Marca" unlängst adelte. Immerhin wird Gündogan von Real Madrid und dem FC Barcelona umworben - und das hat seine Gründe. Gündogan spielt saubere Pässe, ist zweikampfstark, hat einen guten Schuss und strahlt auch Torgefahr aus. All das macht ihn zu einem der hoffnungsvollsten Mittelfeldtalente Europas. Zusammen mit Sven Bender bildet er das deutsche Mittelfeldpaar der Zukunft. Wenn nichts schiefläuft, dürfte man die beiden wohl spätestens bei der EM 2016 gemeinsam im Dress der deutschen Nationalmannschaft das Mittelfeld dirigieren sehen.
Fazit: Weil Schweinsteiger über deutlich mehr internationale Erfahrung verfügt als die Jungspunde von Borussia Dortmund, liegt Bayern hier hauchzart vorne. Bayern 2 - 1 Dortmund
Das offensive Mittelfeld
FC Bayern (Robben, Müller, Ribéry): Das Trio infernale. Franck Ribéry spielt nach eigener Aussage "die beste Saison" seines Lebens. Der neuerdings mannschaftdienliche Arjen Robben irgendwie auch und Thomas Müller sowieso.
Borussia Dortmund (Blaszczykowski, Reus, Großkreutz): Wir wollen hier die Leistung von Kevin Großkreutz überhaupt nicht schmälern. Er ist ein grundsolider Spieler mit großen Laufqualitäten und noch größerem Herz. Er kann Mario Götze vertreten - aber er kann ihn nicht adäquat vertreten. Dafür fehlt ihm leider die Kreativität. Also muss Marco Reus alleine für die Überraschungsmomente im Dortmunder Spiel sorgen. Reus' großer Vorteil ist seine Unbekümmertheit am Ball. Es ist ihm zuzutrauen, dass er den Druck, der auf seinen Schultern lastet, komplett ausblendet. Wenn ihm die Bayern erlauben, seine Spielfreude auszuleben, kann er mit nur einem Pass eine spielentscheidende Szene einleiten.
Fazit: Es ist hauptsächlich der Verletzung von Götze geschuldet, dass Bayern hier klar die Nase vorne hat. Bayern 3 - 1 Dortmund
Der Sturm
FC Bayern (Mandzukic): In der Liga der absolute Torgarant, in der Champions League bislang etwas unauffälliger: Nur zwei Bälle konnte der Kroate international bisher im Netz unterbringen. Dennoch ist er für die Mannschaft überlebenswichtig. Vor allem seine Defensivarbeit darf nicht unterschätzt werden. Und dass Mandzukic bei all der Fleißarbeit trotzdem immer für ein Tor gut ist, hat er in Liga zur Genüge bewiesen.
Borussia Dortmund (Lewandowski): Die Bayern wollen ihn, Real Madrid will ihn und der FC Chelsea auch. Robert Lewandowski ist brandgefährlichste und vor allem spielstärkste Stürmer, den Europa seit Langem gesehen hat. Satte zehn Mal hat er in der laufenden Champions-League-Saison getroffen, und auch in der Liga musste er sich mit seinen 24 Treffern nur Stefan Kießling (25) geschlagen geben.
Fazit: Vorteil Dortmund. Mit Robert Lewandowski kann nicht einmal Mario Mandzukic mithalten. Bayern 3 - 2 Dortmund
Die Trainer
FC Bayern (Heynckes): Welcher Fan hat sich nicht verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel gewischt, als Jupp Heynckes seine letzte Bundesliga-Pressekonferenz gab und schluchzend auf dem Podium saß. Vor diesem Mann muss man einfach den Hut ziehen. Trotz seiner 68 Jahre ist er nie stehen geblieben: Der FC Bayern spielt unter ihm den wohl modernsten Fußball seiner Geschichte. Sein Sachverstand ist unbestritten, was auch daran liegt, dass er in seiner Karriere sowohl national als auch international schon fast alles gesehen hat. Der Champions-League-Titel wäre der würdige Abschluss.
Borussia Dortmund (Klopp): Als er Borussia Dortmund im Jahr 2008 als Cheftrainer übernahm, hätte wohl niemand gedacht, dass der BVB schon einige Jahre später zu einer absoluten Macht im deutschen (und nun auch im europäischen) Fußball werden würde. Ihn den Vater des Erfolges zu nennen, ist eigentlich zu wenig. Er ist auch Mutter, Großvater und lustiger Schwippschwager. Kein Wunder also, dass ihm in ganz Europa (München ausgenommen) große Bewunderung entgegenschlägt. Sollte seine Mannschaft tatsächlich den Henkelpott holen, sind wir schon auf die Jubelsprünge des überemotionalen BVB-Trainers gespannt.
Fazit: Was Jupp Heynckes an Erfahrung mitbringt, macht Jürgen Klopp mit Emotionalität und Motivationskünsten wett. Ein klares Unentschieden. Bayern 4 - 3 Dortmund
Die Bank
FC Bayern (u.a. van Buyten, Gustavo, Shaqiri, Gomez, Pizarro): Das Finale 2012 gegen den FC Chelsea war kaum verloren, da war intern auch schon der Schuldige ausgemacht. Die Dichte des Kaders sei einfach zu gering, die Qualität auf der Bank nicht gut genug für das Unternehmen Champions-League-Sieg. Das haben die Bayern geändert. Auch wenn Hochkaräter wie Toni Kroos oder Holger Badstuber verletzt ausfallen, so würde sich trotzdem fast jeder Verein in Europa die Finger nach den bayerischen Bankdrückern lecken. Sollte Stürmer Mario Mandzukic beispielsweise müde werden, stünden sofort Mario Gomez oder Claudio Pizarro bereit, um seinen Platz einzunehmen. Ein Qualitätsverlust auf dem Platz wäre nicht zu bemerken. Und sollte sich Boateng verletzen, würde dies an der bayerischen Defensivstärke nichts ändern, weil mit Daniel van Buyten ein adäquater Ersatz einspringen könnte. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist der unbekümmerte Schweizer Xherdan Shaqiri, der wohl in jeder Phase einem offensiv stagnierenden Team neuen Wind einhauchen könnte. Sollte das Finale wieder verloren gehen, an der Bank läge es dieses Mal definitiv nicht.
Borussia Dortmund (u.a. Santana, Leitner, Sahin, Schieber): Na gut, spielen wir es mal durch. Lewandowski verschluckt sich an einer Fliege und kann nicht mehr weiterspielen. Dann muss Julian Schieber ran. Hier gilt dasselbe wie bei Kevin Großkreutz statt Mario Götze (siehe: offensives Mittelfeld). Er ist ein ordentlicher Ersatz, aber nicht einmal annähernd adäquat. Auch Felipe Santana in der Abwehr ist immer für einen Schnitzer gut. Allerdings kann er auch mal den Ball in der allerletzten Minute über die Linie drücken - der FC Málaga weiß davon ein Liedchen zu singen. Dennoch gilt: Sollte der BVB dieses Finale verlieren, es könnte gut und gerne an der Bank gelegen haben.
Fazit: Der FC Bayern hat im Vergleich zum letzten Jahr deutlich aufgerüstet. Ließe man die Ersatzspieler gegeneinander spielen, die Bayern würden haushoch gewinnen.
Endstand: Bayern 5 - 3 Dortmund
Schlussfazit
Als hätten wir es nicht vorher gewusst. Das wird eine enge Kiste. Aber das Gute ist ja, es gilt mal wieder Gary Linekers Spruch: "Fußball ist, wenn 22 Männer einem Ball hinterher laufen und am Ende gewinnt Deutschland."
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