Von Thüringen geht eine Schockwelle aus, die weit über das Bundesland hinweg zu spüren sein dürfte: Der geschäftsführende Ministerpräsident Bodo Ramelow ist völlig überraschend im dritten Wahlgang dem FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich unterlegen. Bleiben Sie im Live-Blog über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden.

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"Die Arbeit beginnt erst"

21:40 Uhr: Thüringens neuer Ministerpräsident Thomas Kemmerich ist Forderungen nach Neuwahlen entgegengetreten. Im ARD "Brennpunkt" sagte er am Mittwochabend auf die Frage, ob er bereits gescheitert sei, bevor er überhaupt gestartet ist: "Nein. Die Arbeit beginnt erst und die Demokraten sollten auch wissen, dass Neuwahlen keine Option sind." Er verwies auf eine Umfrage in der vergangenen Woche, wonach das Wahlergebnis ein ähnliches sein würde.

Kemmerich betonte, Demokraten sollten im Parlament Zusammenarbeit suchen, weise Entscheidungen treffen, und "diejenigen, die unser Land spalten, eines Besseren belehren. Vernünftige Politik geht mit diesem Parlament, wenn sie denn bereit sind, die staatspolitische Verantwortung, über die seit Wochen diskutiert wird, alle wieder gemeinsam zu tragen und gute Entscheidungen für Thüringen zu treffen." Eine Zusammenarbeit mit der AfD schloss er an anderer Stelle des Interviews erneut aus.

Spitzentreffen der GroKo am Samstag

21:30 Uhr: Die Spitzen von Union und SPD im Bund wollen die Konsequenzen der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen in einem Koalitionsausschuss beraten.

"Auf unsere Initiative hin haben wir uns auf einen Koalitionsausschuss am Samstag verständigt", sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans am Mittwochaabend auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

"Nicht mein Ministerpräsident!"

20:50 Uhr: Deutschlandweit haben Tausende Menschen gegen die Wahl von Thomas Kemmerich protestiert. Sie kamen in mehreren Thüringer Städten und unter anderem auch in Hamburg, Köln, Leipzig, Düsseldorf und München zusammen.

Etwa 1000 Menschen versammelten sich am Mittwochabend vor der Staatskanzlei in Erfurt und bildeten dort eine Menschenkette. Einige skandierten: "Wer hat uns verraten? Freie Demokraten!" und "Nicht mein Ministerpräsident!" Vor dem Eingang des Gebäudes brannten Kerzen, Demonstranten hielten ein Transparent "FDP und CDU: Steigbügelhalter des Faschismus" in die Höhe.

In Jena demonstrierten 2000 Menschen in der Innenstadt. Auch in Weimar, wo sich bereits am Nachmittag 200 Menschen versammelt hatten, Gotha und Ilmenau gab es Demonstrationen.

Mehr als 1000 Menschen versammelten sich unter dem Motto "Haltung zeigen - keine Zusammenarbeit mit der AfD" zu einer Spontandemonstration vor dem Neuen Rathaus in Leipzig. Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) verurteilte die AfD in einer kurzen Ansprache scharf.

In München versammelten sich Hunderte Demonstranten vor der Landesgeschäftsstelle der FDP. Dazu aufgerufen hatten unter anderem der Linke-Landesverband und die Grüne Jugend München. Auf Plakaten war unter anderem zu lesen: "Die richtige Antwort wäre gewesen: 'Ich nehme diese Wahl nicht an.'"

In Hamburg wurden am Abend zunächst 200 Demonstrierende gezählt. Antifaschistische Gruppen riefen dazu auf, sich vor den Büros der CDU und AfD in der Innenstadt zu versammeln. Das Motto der Demonstration lautete: "Schulter an Schulter gegen den Faschismus!"

Mohring gegen Neuwahl

20:30 Uhr: Verwirrung um Einstimmigkeit im CDU-Präsidium: Die CDU-Spitze hat nach der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen nach Angaben von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer "einstimmig" Neuwahlen im Freistaat empfohlen. Allerdings gibt es unterschiedliche Darstellungen, wie sich Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring bei der Abstimmung in der Schaltkonferenz verhalten hat.

Der Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Felix Voigt, sagte der dpa am Mittwochabend, Mohring habe teilgenommen und "Verständnis für die Position im Bund geäußert, aber mit Blick auf die Neuwahl-Forderung widersprochen". Die von Kramp-Karrenbauer "behauptete Einstimmigkeit" sei "nicht korrekt".

Neuwahl einstimmig empfohlen

19:58 Uhr: Die CDU-Spitze empfiehlt nach der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen einstimmig Neuwahlen im Freistaat. Das Präsidium der Partei habe sich in einer Schaltkonferenz einstimmig dafür ausgesprochen, teilte Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Mittwochabend in Straßburg mit. Dem Präsidium gehört auch Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring an, ob er an der Schaltkonferenz teilgenommen hat, war zunächst unklar.

Rücktritt gefordert

19:22 Uhr: Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck schließt eine Zusammenarbeit seiner Partei mit dem neuen Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) kategorisch aus. Die Grünen könnten keinen Regierungschef unterstützen, der mit den Stimmen der AfD gewählt wurde, betonte Habeck am Mittwoch in Berlin.

Gleichzeitig forderte er Kemmerich zum Rücktritt aus. Andernfalls müsse der Erfurter Landtag aufgelöst werden. "Die Grünen stehen dafür bereit", versicherte Habeck. Falls die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande komme, müssten CDU und FDP ihre Thüringer Landesverbände aus der Partei ausschließen.

"Widerliche Scharade"

18:45 Uhr: Thüringens abgewählter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit scharfen Worten kritisiert. "Stuttgarter Zeitung", "Stuttgarter Nachrichten" und "Eßlinger Zeitung" sagte er: "Genau 90 Jahre nach dem es in Thüringen schon mal passiert ist: Sich von Herrn Höcke und dem Flügel wählen zu lassen. Das war offenbar gut vorbereitet. Eine widerliche Scharade. Höckes Flügel wurde gerade umfassend gestärkt."

Die Wahl Kemmerichs sei "ein deutscher Tabubruch". Vor 90 Jahren wurde in Thüringen die erste Landesregierung in Deutschland mit Beteiligung der NSDAP gebildet.

Thüringer CDU-Fraktion will Neuwahlen vermeiden

18:30 Uhr: Trotz der Forderungen der Bundesspitzen von CDU und CSU nach Neuwahlen in Thüringen hat sich die dortige CDU-Fraktion dagegen ausgesprochen.

"Wir sehen unsere Verantwortung darin, Stillstand und Neuwahlen zu vermeiden", erklärte ein Sprecher der Fraktion am Mittwoch. Zuvor war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich im Landtag in Erfurt mit Hilfe von CDU und AfD überraschend zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt worden.

"Nicht in unserem Namen"

18:17 Uhr: Als "völlig inakzeptabel" hat der langjährige Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen bezeichnet.

"Meine Antwort? Nicht in unserem Namen!", twitterte Verhofstadt am Mittwoch mit zwei Fotos, die Kemmerich beim Handschlag mit AfD-Landeschef Björn Höcke und Nazi-Führer Adolf Hitler beim Händedruck mit dem damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zeigen. Der Liberale Verhofstadt ist Chefunterhändler des Europäischen Parlaments für den Brexit und war von 1999 bis 2008 belgischer Regierungschef.

Demonstrationen vor FDP- und CDU-Zentrale in Berlin

17:55 Uhr: Vor den Parteizentralen von FDP und CDU in Berlin haben Demonstranten gegen die überraschende Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten protestiert.

Dazu aufgerufen hatten am Mittwoch verschiedene linke Gruppen. Die Polizei war mit Einsatzkräften vor Ort, Zwischenfälle gab es nach Auskunft eines Polizeisprechers zunächst nicht.

Am frühen Abend kamen zunächst einige Dutzend Demonstranten vor das Gebäude der FDP und rund ein Dutzend zur CDU. Im Verlauf des Abends wurden nach Aufrufen mehrerer Gruppen noch mehr erwartet. Auf Plakaten war zu lesen: "Schämt Euch".

Ramelow spricht von "widerlicher Scharade"

17:45 Uhr: Thüringens abgewählter Ministerpräsident Bodo Ramelow hat die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zu seinem Nachfolger als "widerliche Scharade" bezeichnet.

Der "Flügel" um den Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke sei "umfassend gestärkt" worden, teilte Ramelow der "Eßlinger Zeitung", der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" laut Vorabmeldung vom Mittwoch mit.

Ramelow sprach von einem "deutschen Tabubruch" und fügte hinzu: "Genau 90 Jahre nachdem es in Thüringen schon mal passiert ist: Sich von Herrn Höcke und dem Flügel wählen zu lassen - das war offenbar gut vorbereitet."

In Thüringen war im Jahr 1930 die NSDAP erstmals in eine Landesregierung gekommen.

Günther gegen Regierung mit CDU-Beteiligung in Thüringen

17:42 Uhr: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat sich gegen eine Regierungsbeteiligung der Union in Thüringen ausgesprochen. "Es darf nicht sein, dass die CDU eine gemeinsame Regierung mit einem Ministerpräsidenten bildet, der von der AfD gewählt wurde", sagte Günther am Mittwoch in Kiel.

Es sei absehbar, dass sich eine Regierung immer auf die AfD stützen müsse. Dass Christdemokraten Kemmerich gemeinsam mit den AfD-Abgeordneten gewählt hätten sei "absolut inakzeptabel". Die Union müsse nach den Ereignissen vom Mittwoch wieder auf den "Pfad der Tugend" zurückkehren, sagte Günther.

"Ich erwarte von der CDU Deutschlands eine sehr klare Distanzierung von dem Verhalten." Günther warf der Bundes-CDU seit Monaten währende Sprachlosigkeit zu den Vorgängen in Thüringen vor.

Die Union sei dort "schlicht und ergreifend alleine gelassen" worden in einer schwieriger Lage.

AKK wirft Thüringens CDU Verstoß gegen Beschlusslage der Partei vor

16:57 Uhr: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht "keine stabile Grundlage" für den jetzt gewählten Ministerpräsidenten in Thüringen, und "insofern bin ich der Auffassung, dass man darüber reden muss, ob neue Wahlen nicht der sauberste Weg aus dieser Situation sind.

Dem thüringischen CDU-Landesverband hat AKK vorgeworfen, bei der Wahl des neuen Ministerpräsidenten gegen die Beschlusslage der Partei verstoßen zu haben. "Das Wahlverhalten im dritten Wahldurchgang geschah gegen den Willen der Bundespartei, das halte ich für falsch", sagte sie. Das Votum der CDU-Abgeordneten für den von der AfD unterstützten FDP-Politiker Thomas Kemmerich sei "gegen die Beschlusslage der CDU" erfolgt.

CDU-Generalsekretär Ziemiak fordert Neuwahlen in Thüringen

16:48 Uhr: Die CDU plädiert wie die CSU für Neuwahlen in Thüringen. Generalsekretär Paul Ziemiak sagte in Berlin, die Entscheidung in Thüringen "spaltet unser ganzes Land". Die Wahl des Ministerpräsidenten von der FDP in Erfurt, mit den Stimmen der AfD sei keine Grundlage für "bürgerliche Politik".

Söder: "CDU erleidet Glaubwürdigkeitsverlust"

16:40 Uhr: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder greift nach dem überraschenden Ausgang der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen die Schwesterpartei scharf an: "Es verwundert einen schon, dass die FDP sich bei Jamaika verweigert hat und da jetzt mitmacht. Auch die CDU erleidet damit ein hohes Maß an Glaubwürdigkeitsverlust. Wir lehnen ein solches Verfahren ab", sagte er am Mittwochnachmittag in München.

Aus Sicht Söders sind nun Neuwahlen in Thüringen nötig. "Wer glaubt, dass er sich mit den Stimmen der AfD wählen lassen kann und damit demokratische Legitimation bekommt, wird damit irren. Dieser Tag nützt nur der AfD. Das kann nicht unser gemeinsames Bestreben sein."

Lindner appelliert an CDU, SPD und Grüne in Thüringen

16:35 Uhr: FDP-Chef Christian Lindner hat nach der Wahl seines Parteikollegen Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten eine Kooperation mit der AfD kategorisch ausgeschlossen. "Es gibt keine Basis für eine Zusammenarbeit", sagte Lindner bei einem Pressestatement in Berlin. Er rief CDU, SPD und Grüne in Thüringen dazu auf, ein von Kemmerich gemachtes Gesprächsangebot anzunehmen. Sollten diese sich dem fundamental verweigern, wären baldige Neuwahlen zu erwarten und aus seiner Sicht auch nötig. Lindner betonte zugleich, dass Landtagsfraktion und Landespartei der FDP in eigener Verantwortung handelten.

Zentralrat der Juden: FDP verlässt Konsens demokratischer Parteien

16:33 Uhr: Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, ist entsetzt, dass sich FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen hat wählen lassen "Damit verlässt die FDP den Konsens der demokratischen Parteien, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten oder auf die Unterstützung der Rechtspopulisten zu zählen", sagte er der "Jüdischen Allgemeinen".

Sondersendungen zu Wahl-Sensation in Thüringen

16:25 Uhr: Nach der Wahl-Sensation im Thüringen haben Fernsehsender ihr Programm geändert. Das Erste bringt um 20:15 Uhr einen zehnminütigen "Brennpunkt" zum Thema "Politisches Beben in Thüringen", Gunnar Breske moderiert. Auch das ZDF hat eine Sondersendung eingeschoben, sie beginnt um 19.20 Uhr. "Welt Fernsehen" berichtet bis mindestens 18.25 Uhr live über das Geschehen. Auch ntv ist fortwährend live auf Sendung, etwa mit zwei "News Spezial"-Sendungen um 16:30 Uhr und 17:30 Uhr. Das MDR-Fernsehen hat um 18.10 Uhr ein "MDR extra" ins Programm genommen.

Gerhart Baum: "Ein Hauch Weimar liegt über der Republik"

16:20 Uhr: Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hat die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum neuen Thüringer Ministerpräsidenten scharf kritisiert. "Ein Hauch Weimar liegt über der Republik", sagte der Jurist. "Ich bin ein alter Mann, 87 Jahre alt. Mir stecken die Schrecken der Nazis und übrigens auch der Nachkriegszeit, in der das Naziwesen noch lebendig war, tief in den Knochen. Und ich sehe in dieser Entscheidung in Thüringen einen Schritt in Richtung Weimar." Die Parallele bestehe darin, dass der Rechtsextremismus wieder tief aus der Mitte des Bürgertums komme.

Kemmerich hätte nie kandidieren dürfen, sagte Baum. Zumindest hätte er die Wahl ablehnen müssen. "Das ist ein unverzeihlicher Dammbruch. Jetzt kommt die AfD erstmals indirekt in die Regierungsverantwortung eines deutschen Landes." Er gehe davon aus, dass die AfD für ihre Unterstützung einen Preis fordere. Die AfD sei eine nicht demokratische Partei, die die Demokratie angreife. Er erwarte deshalb eine klare Distanzierung des FDP-Chefs Christian Lindner.

Kretschmer: Kein guter Tag für Thüringen

16:16 Uhr: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht den Ausgang der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen als "Ergebnis von Eigensinn und Unvernunft auf allen Seiten". "Das ist kein guter Tag für Thüringen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die CDU Thüringen habe nicht akzeptiert, dass sie die Wahl verloren habe und es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben könne, kritisierte er.

"Dass sich Bodo Ramelow mit Unterstützung von SPD und Grüne ohne parlamentarische Mehrheit zur Wahl gestellt hat", sei aber ebenso falsch gewesen. Diese Wahl werde das Land weiter spalten, so Kretschmer. Ohne parlamentarische Mehrheit sei keine verantwortliche Regierungsarbeit möglich.

Landtagssitzung in Thüringen vertagt

15:57 Uhr: Mit Stimmen der AfD, CDU und FDP ist die Landtagssitzung in Thüringen nach der überraschenden Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich am Mittwoch vertagt worden. Kemmerich hatte den Antrag zuvor selbst gestellt.

Kemmerich grenzt sich von AfD und Linke ab

15:55 Uhr: Begleitet von Zwischenrufen vor dem Landtag hat sich der überraschend neu gewählte Thüringer Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) von den Linken und der AfD abgegrenzt. "Ich zeige den höchsten Respekt vor dieser Aufgabe", sagte Kemmerich. Er dankte seinem Vorgänger Bodo Ramelow (Linke). Zugleich grenzte er sich von der AfD ab. "Die Brandmauern gegenüber der AfD bleiben bestehen." Es werde weder eine Koalition noch ein Angebot für eine Zusammenarbeit geben. "Ich bin Anti-AfD, ich bin Anti-Höcke", sagte Kemmerich. Die Brandmauer gebe es auch gegenüber der Linken.

Im Parlament war seine erste Rede von Zwischenrufen - vor allem aus den Reihen der Linken - begleitet worden. Abgeordnete riefen ihm "Scheinheilig!" oder "Scharlatan!" zu.

SPD-Chefin will Thüringen-Wahl im Koalitionsausschuss besprechen

15:49 Uhr: SPD-Chefin Saskia Esken will den Ausgang der Thüringer Ministerpräsidentenwahl in einem Koalitionsausschuss mit der Union zum Thema machen. Die Wahl sei ein abgekartetes Spiel und müsse korrigiert werden, schrieb sie am Mittwoch auf Twitter. Die SPD habe dringende Fragen an die CDU, die mit der AfD in Erfurt einen Ministerpräsidenten von der FDP ins Amt gewählt hatte.

Berliner AfD-Fraktionschef: Deutschland noch nicht verloren

15:45 Uhr: Der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski hat die überraschende Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten begrüßt. "Glückwunsch nach Thüringen für dieses unmissverständliche Zeichen. Deutschland ist noch nicht verloren", erklärte Pazderski am Mittwoch. "Endlich wird deutlich, dass es eine Mehrheit gegen die linksrotgrüne Vorherrschaft nicht nur auf dem Papier gibt." Mit der AfD sei "eine Abkehr vom Kurs der Deindustrialisierung, des Autohasses, der Klimahysterie sowie von Gender-Gaga und Antifa-Gewalt" möglich, sagte er weiter.

Kemmerich will mit CDU, SPD und Grünen regieren

15:44 Uhr: Thüringens neuer Ministerpräsident Thomas Kemmerich von der FDP will mit CDU, SPD und Grünen eine neue Regierung bilden. Er wolle eine Regierung der Mitte, sagte er am Mittwoch im Erfurter Landtag. SPD und Grüne haben einer Zusammenarbeit mit einer Regierung unter Kemmerich jedoch bereits eine Absage erteilt.

Die Ereignisse in Erfurt: Was zuvor geschah

Bei der Wahl zum Ministerpräsidenten ist am Mittwoch überraschend der FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Regierungschef gewählt worden. Er setzte sich bei der Abstimmung am Mittwoch im Landtag in Erfurt im entscheidenden dritten Wahlgang auch mit Stimmen von CDU und der AfD von Parteichef Björn Höcke gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch. Der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erhielt im dritten Wahlgang keine Stimme.

Die Entscheidung zwischen Kemmerich und Ramelow fiel denkbar knapp aus. Auf den bisherigen Regierungschef entfielen 44 Stimmen, Kemmerich erhielt 45 Stimmen. Es gab eine Enthaltung.

Erster Ministerpräsident mithilfe der AfD

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz sagte am Mittwoch im MDR: "Das ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde."

Kemmerich ist erst der zweite Ministerpräsident der FDP in der Geschichte der Bundesrepublik. Der liberale Politiker Reinhold Maier war von 1945 bis 1952 Ministerpräsident von Württemberg-Baden und dann von April 1952 bis September 1953 Regierungschef des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg.

Thüringens FDP knapp in Landtag eingezogen

Die Thüringer FDP hatte den Einzug ins Parlament bei der Wahl im vergangenen Herbst nur denkbar knapp geschafft und die Fünf-Prozent-Hürde um nur 73 Stimmen übersprungen. Ramelows angepeiltes Bündnis von Linke, SPD und Grünen verfügte nach dem Urnengang nur noch über 42 von 90 Mandaten im Landtag.

Allerdings hatten Christdemokraten und Liberale kategorisch ausgeschlossen, mit der von Fraktionschef Björn Höcke geführten AfD zusammenzuarbeiten. Gemeinsam kommen die drei Fraktionen auf 48 Sitze.

Thomas Kemmerich trat in Thüringen erst im dritten Wahlgang an

Ramelow hatte eigentlich eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung in Thüringen unter seiner Führung angepeilt. Wegen der fehlenden Mehrheit hatte auch die AfD mit dem parteilosen Kindervater einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt.

Nachdem Ramelow in den beiden ersten Wahlgängen erwartungsgemäß die absolute Mehrheit verfehlt hatte, warf Kemmerich im dritten Wahlgang ebenfalls seinen Hut in den Ring.

Ramelow war seit 2014 Regierungschef des Freistaats und der erste Ministerpräsident der Linken in Deutschland. Doch obwohl seine Partei mit 31 Prozent die Wahl im Herbst 2019 klar gewonnen hatte, ging die Mehrheit der bisherigen Regierung von Linke, SPD und Grünen verloren. Dennoch hatten die bisherigen Koalitionspartner am Dienstag einen neuen Regierungsvertrag unterschrieben.

jwo / mit Material von dpa und afp

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